The Black Crowes-Amorica
The Black Crowes, RCA 74321 23682.
„Die Crowes? ieah“, nickt Keef wohlwollend, „die sind nicht übel. Ein bißchen wie die Stones vor ’nem Vierteljahrhundert.“ Selbst Mick grinst gönnerhaft. So
gnädig springen die Glimmer Twins keineswegs immer mit Epigonen um. Primal Scream können ein Lied davon singen.
Eitel Sonnenschein also in Atlanta? No, Sir. Die Gebrüder Robinson reagieren wie Kinder, die beim Klauen erwischt werden: uneinsichtig und ein wenig aufsässig. „Unsere Inspiration schulden wir eher den Faces als den Stones“, insistiert Sänger und Scarecrow h.c. Chris Robinson. Soweit es seinen Vokalstil betrifft, ist das nicht falsch, der pendelt tatsächlich zwischen spätem Steve Marriott und frühem Rod Stewart. Die Einlassung des kleinen Bruders Rieh, nicht nur ob seiner Open Tunings gerne des fortgeschrittenen Keeftums bezichtigt, ist allerdings reichlich kindisch. Nicht dem Human Riff habe er sein Saitenspiel zu verdanken, sondern Robert Jonson und Nick Drake. Wow. Wir sind tief beeindruckt.
Renitenz liegt den Robinsons wohl im Blut. Unsympathisch ist das nicht. Vor Jahren schon, als sie im Vorprogramm von ZZ Top tourten, konnten sie es nicht lassen, sich über die Sponsorenallmacht zu mokieren. Worauf sie prompt gefeuert wurden. ZZ Top und die Sponsoren waren nicht amüsiert. Ihrem durchschlagenden Erfolg tat das keinen Abbruch. Die respektable Debüt-Platte „Shake Your Money Maker“ und der etwas enttäuschende Nachfolger „The Southern Harmony And Musical Companion“ etablierten die Band als Könige des „Retro-Rock“.
Retro! Ich kann’s nicht mehr hören. Was, bitte schön, ist denn nicht retro? Sei’s drum. „Amorica“ also heißt das dritte Baby des Sextetts, kein Schreihals wie das erste, keine Frühgeburt wie das zweite. Sein Name ist witzlos, sein Gesicht potthäßlich. Spielt aber keine Rolle, weil sich bei CDs eh niemand das Cover ansieht. Was zählt, sind die inneren Werte. Und musikalisch haben die Crowes mehr zu bieten, als wir zu erhoffen wagten.
An die Stelle des festen Southern Boogie von „Companion“, das damals innerhalb einer Woche hingewerkelt worden war, sind Songs und Song-Ideen getreten, denen man etliche Monate lang Zuwendung schenkte. Begnadete Songwriter sind die Robinsons deshalb natürlich noch nicht, doch die meisten Songs haben erfreuliche Kontur gewonnen. Und Charakter. Herausragend sind „Descending“, „Nonfiction“ und „Wiser Time“: keine übertriebenen Ambitionen, nur klug entworfene, organisch arrangierte Songs. Andere Songs sind (auch noch im Scheitern) ehrenhafte Versuche, musikalisches Neuland zu gewinnen. „P. 25 London“ etwa zitiert zuerst den Geist von Hendrix herbei, nur um ihn im nächsten Moment von kleinen Kravitzen wieder vertreiben zu lassen. „Ballad In Urgency“ zielt zu hoch und fällt daher hart, und „A Conspiracy“ (immerhin die Single) glaubt, ohne Hookline die dünne Chartsluft überleben zu können. Abwarten.
Ron Wood kann das alles besser, doch die Crowes sind zurecht stolz auf „Amorica“. Chris Robinson: ‚Southern Harmony‘ war Kate Moss, ,Amorica‘ ist mehr Anne Nicole Smith.“ Freuen wir uns auf Jane Mansfield.