The Chieftains – The Long Black Veil
Die Lordsiegelbewahrer irischen Liedgutes haben einen guten Riecher für Genreübergreifende Arbeiten. Schon auf früheren Veröffentlichungen halfen Fremd-Fraktionäre wie Jackson Browne, Nanci Griffith, Roger Daltrey, Rickie Lee Jones, die oft jahrhundertealten Jigs, Reels und Balladen in die Gegenwart zu transformieren.
Auch wenn derartige Altstar-Versammlungen nicht immer funktionieren (man denke an Van Morrisons jüngsten, käsig-blutarmen „No Primadonna“-Flop): Hier legen die beteiligten Gastmusiker eine Spiellaune an den Tag, daß es nur so funkelt. Eine volle Stunde lang (13 Songs) geben sich Stars das Mikro in die Hand; zwei Chieftains-Alleingänge zwischendurch stören da nicht im geringsten. Ausgesprochen unangenehm, Einzelleistungen aufs Podest zu hieven. Achterbahn-Niveau? Fehlanzeige. Als Erste unter Gleichen profilieren sich der steinlose Mick Jagger („The Long Black Veil“), Ry Cooder („Coast Of Malabar“, „Dunmore Lassies“) und Sting („Mo Ghile Mear“). Sinead O’Connor, erneut zweimal an der Augenwassergrenze balancierend, Mark Knopfler, Marianne Faithfull, Van Morrison – kaum meßbare Qualitätseinbußen. Das Finale geriet gar launig: Tom Jones gibt einen „Tennessee Waltz“, der in eine Mazurka mündet, und – wahrhaftig – die Rolling Stones juckeln jammend über die „Rocky Road To Dublin“.
Was diese stark traditionalistische Gemeinschaftsproduktion auszeichnet, sind eine luftdichte Geschlossenheit (kein aneinandergereihtes Streugut), die treffliche Song-Auswahl und der Verzicht auf Tribute- respektive Charity-Einschleicher in Gestalt der Herren Clapton und Collins, die nicht selten nicken, bevor überhaupt jemand gefragt hat („Lothar-Matthäus-Syndrom“). So ganz nebenbei finden sich im Kreis herbeigezogener Hilfsmusikanten noch Namen wie Paul Brady, Colin James und Phil Coulter, die das Level nicht eben drücken. Fazit: Antiquitäten, aber unbegrenzt haltbar.