The Coral – The Invisible Invasion
Manchmal, sehr selten, haben junge Menschen alte Gesichter. Nicht, dass sie vor ihrer Zeit verschrumpelt oder triefäugig wären – sie ähneln nur, vor allem auf Fotografien, mehr den Menschen, wie sie vor 30, 40, 50 Jahren aussahen, als den heutigen Gesichtern. Nicht wegen aufwendiger Retrofrisuren oder -klamotten, sondern allein durch eine bestimmte Wangenknochenform, einen eigentümlichen Blick.
Mit der Musik von The Coral verhält es sich auf wunderbare Weise ähnlich: Wenn die sieben Burschen von der englischen Westküste musizieren wie vor 40 Jahren, klingt das zwingend natürlich, oder, um eine eklige Kategorie zu bemühen, „echt“ – nie kostümiert, nie plump zitiert und nie nur wie eine ehrenvolle Pastiche. Mit dem dritten Album „The Invisible Invasion“ (ihre leicht schrullige Mini-LP „Nightfreak And The Sons Of Becker“ nicht mitgezählt), in bester britischer Fleißtradition wieder zügig aufgenommen, knüpfen sie im großen und ganzen an die maritime Seelenhaftigkeit von „Magic And Medicine“ an: schönster Merseybeat, sofort vertraut und trotzdem immer etwas verschroben rätselhaft „Wärmer“ findet Sänger James Skelly die neuen Stücke (produziert von den Portishead-Autoritäten Adrian Utley und Geoff Barrow). Tatsächlich sind die Lieder vielleicht nur etwas aufgeräumter, mit weniger Hippiefransen, wiewohl an wohlplaziertem psychedelischem Blubbern, Schauerorgel und klepprigem Getrommel dennoch kein Mangel herrscht – beispielsweise im irr mäandernden Drogentraum „Arabian Sand“ mit seiner Textzeile „Can you dance with the lepers in the madman’s house?“. Ein kurzer Ausflug in düsterere Gestade, freilich relativiert durch die grundfroh perlende Single „In The Morning“. Anwärter auf den Sorge-dich-nicht-lebe-Hit des Jahres: „Out of the dark and into the light/ When the morning comes I will be alright“
Wen schert es in der Frühe noch, wenn nachts der Klabautermann am Bettchen sitzt und mit Gehenktenknochen klappert.