The dB s – Stands For Decibels/Repercussion/Like This
Kelley Stoltz ist heute einer, der Pop-Klassiker nur so aus dem Ärmel zu schütteln scheint und Platten macht, die noch um so mehr Vergnügen bereiten, je intimer man etwa mit obskureren Ray-Davies-Kompositionen der Jahre 1965/66 vertraut ist. Er ist eher ein Einzelgänger, steht aber doch in der langen Tradition von Big Star, Bongos, dB’s und ähnlichen Kultbands, die von R.E.M. eines wesentlich unterscheidet: Sie blieben alle nicht lange genug beisammen, um vielleicht doch mit einem Ohrwurm den Sprung vom Indie-Geheimtipp in den Mainstream zu schaffen. Was ihren Gründerfiguren wie Alex Chilton und Chris Bell, Richard Barone oder Chris Stamey allem Talent zum Trotz dann auch bei den folgenden Solo-Karrieren nie gelingen sollte. Aber im Gegensatz zu Plimsouls, Dream Syndicate und anderen vielversprechenden amerikanischen Bands jener Jahre mochte nicht eine US-Plattenfirma die dB’s unter Vertrag nehmen.
Protegiert von „New York Rocken-Chefredakteur Alan Betrock, nahmen sie jede Menge Demos und Songs auf, die dann in Auswahl auf dem Debüt „Stands For Decibels“ erschienen – beim englischen Indie-Label Albion! Wie bei „She’s Not Worried“ nicht zu überhören, hatten die Beach Boys der „Smiley Smile/Wild Honey“-Phase ganz gewaltigen Eindruck bei Chris Stamey hinterlassen. Anderswo unverkennbar auch Van Dyke Parks und die Beatles von „Sgt. Pepper“ und „Magical Mystery Tour“. Der ihm schon länger sehr freundschaftlich verbundene Alex Chilton und die Platten von Big Star sowieso. Für eine Produktion, die praktisch nichts kosten durfte, wartete „Stands For Decibels“ mit jeder Menge origineller Psychedelica und überraschender Ideen auf. Wobei Stamey der experimentierfreudigere Musikant war, während Peter Holsapple ungenierter auf einen ausgesprochen beatlesken Sound bei seinen Songs abhob. Genauer gesagt: lennonesken, wie bei der Ballade „Moving In Your Sleep“ zu hören. Entschieden mehr Beach Boys-Hommagc war sein „Judy“, jetzt die Zugabe.
In den Liner Notes erinnert sich Holsapple an diese Zeit: „Girls liked us, critics – except Christgau – liked us, we could get in clubs and record release parties pretty much gratis.“ Dass der „Village Voice“-Mann sie angeblich nicht mochte, ist dummes Zeug. Der bewunderte ihr „potential for Beatley let-loose and Box Topsy get-down“ genauso wie ihre „compulsive studiocraft“ und „the precise harmonies, broken rhythms, and Byrdsy Zoom effects“. Nicht schlecht für eine kleine Band aus North Carolina, deren Debüt er hoch mit „A-“ bewertete und das, wie die zweite LP auch, damals nur als hochpreisiger England-Import ins Land kam. Einmal unter der Fuchtel eines Produzenten (Scott Litt) und in einem richtigen Studio arbeitend, alles von Albion finanziert, experimentierten sie bei den Aufnahmen für das zweite Werk noch mehr mit Pop-Formaten. Bei so viel Studio-Professionalität klingt ein Psychcdelik-Kabinettstück wie „I Feel Good (Today)“ einiges perfekter. Jetzt auf diesem „twofer“ noch einmal gehört, vermisst man plötzlich doch ein wenig den ganz leicht amateurhaften Charme des Erstlings, auch wenn dB’s-Pop hier nichtseine Unschuld eingebüßt hatte.
Enttäuschend war erst danach für Stamey, dass auch hier nennenswerter Erfolg ausblieb. Er verließ die Band, Holsapple machte weiter und war jetzt alleinfürdie Songs verantwortlich, die man zum Trio geschrumpft für Albert Grossmans Bearsville-Label aufnahm. Viel perfektes (Power-)Pop-Handwerk diesmal auf „Like This“ (3) wie „Not Cool“, rockiger orientiert und nicht so verspielt, also mehr Dave Edmunds denn Van Dyke Parks nacheifernd. Der meistgerühmte unter diesen Songs war immer „Lonelyls (As Lonely Does)“. aber Klassiker-Qualitäten hatten auch andere wie „A Spy In The House Of Love“. Viele Jahre aus dem Katalog gestrichen, ist „Like This“ auf dem Collectors‘ Choice-Label endlich wieder einschließlich der Single-B-Seite „Darby Hall“ und dem Maxi-Remix von „A Spy In The House Of Love“ als Bonus Tracks erhältlich. Auch mit Liner Notes, die das mit dem „near-mythical Status in alt-pop circles“ der dB’s näher erläutern.