The Electric Prunes – Too Much To Dream – Original Group Recordings Reprise 1966-1967 :: Eine Anthologie mit Songs der amerikanischen Garagenrocker

Zumindest mit diesem Namen reihten sich die Electric Prunes in beste Garagenrock-Tradition ein. Aber für die Verhältnisse von 1966/67 war das Quintett ein kompletter Anachronismus: Eine Nachwuchs-Band aus Seattle, von deren Mitgliedern kaum jemand nennenswert eigene Songs geschrieben hatte. Die vermeintlich auch Spezialisten für Psychedelik-Rock waren, aber weder den (folk)musikalischen Hintergrund noch das schiere spielerische Können einschlägiger Kollegen aus Los Angeles (Love) oder San Francisco (Jefferson Airplane, Quicksilver Messenger Service) vorweisen konnten. Diese Jungs konnte man im Zweifelsfall sogar ernsthaft dazu bringen, bei einem Song („Sold To The Highest Bidder“) Gitarren wie eine Balalaika zu spielen! Das hätte RCA-Tonmeister Dave Hassinger, ihr Pygmalion und Produzent, mal Jorma Kaukonen oder John Cipollina vorschlagen sollen! Einen guten Ruf hatte sich Hassinger nicht zuletzt als der Mischpult-Mann bei Rolling Stones-Sessions in den RCA-Studios erworben.

Nur war wiederum der gute Rufseiner Schützlinge schon ruiniert, als Anfang 1968 unter dem Namen Electric Prunes, gleichwohl nicht von der Band in originaler Besetzung, eine Rock-„Mass In F Minor“ erschien. Das konnte man vielleicht als echtes Camp goutieren, aber auch als denkbar übelsten Progressiv-Schrott betrachten. Einen mit Hochkultur-Anspruch selbstverständlich und in Sachen Klassik-Rock immer eine Kuriosität!

Das waren die Hits der Band davor nun wirklich nie gewesen. Mit dem, was man ihnen alles so auf den Leib schrieb von Jugband Music à la Lovin‘ Spoonful und Standells-Garage bis zu ungenierten Plagiaten (auch von Stones-Vorlagen) -, konnten sie keine wirkliche Identität als Band gewinnen. Aber Hassinger war ja auch kein Manager, der sich darum einen Deut gekümmert hätte. Er probierte auch ab und an ein paar Tricks aus, die er bei Jack Nitzsche abgeschaut hatte. Aber er war Techniker, kein musikalisches Genie. Manche seiner Aufnahmen mit dünnem Ping-Pong-Stereo-Sound klingen heute sogar ausgesprochen underproduced. Den Jungs eine Dave-Brubeck-Emlage abzuverlangen, wie wohl bei „Train For Tomorrow“ geschehen, war ziemlich absurd. Dagegen besitzt der Barock-Pop von „The King Is In The Counting House“ mit Cembalo, Streichern usw. schon wieder richtigen Charme. Und wie sie sich bei „Luvin'“ mal des Blues annehmen, hat angenehm einiges mit frühen Rolling Stones zu tun.

Was für eine schwache Leistung Hassinger als Produzent lieferte, kann man möglicherweise am besten am Beispiel von „I Happen To Love You“ ermessen. Bevor Carole King endlich selber anfing, ihre eigenen Songs aufzunehmen, hatten viele aus Goffin/King-Kompositionen Ohrwürmer und große Pop-Klassiker gemacht. Die der Electric Prunes von besagtem Song zählt definitiv nicht dazu. Hassinger fehlte jedes Talent, aus der Vorlage mehr zu machen. Die zweite LP mit dem dämlichen Titel „Underground“ war das deutlich ehrgeizigere Projekt. Aber neben soviel origineller Konkurrenz hatte 1967 so epigonales Liedgut wie „Long Days Flight“ keine Chance. Das war alles ein Flop, was Reprise nach den ersten beiden Singles mit weiteren versuchte, egal ob Troggs-Plagiat oder was sonst da variiert abgekupfert wurde. Aber clever war die Idee, für „Get Me To The World On Time“ ein wenig bei Bo Diddley zu klauen, dann doch gewesen. Nur dass von dessen „Mona“ und „Who Do You Love“ die Psychedelik-Kollegen vom Quicksilver Messenger Service bald unendlich genialere Adaptionen präsentieren sollten.

Aber dann war da ja auch „I Had Too Much To Dream Last Night“ gewesen, ein nouelty song als typisches Garagen-Arrangement angeboten und deswegen in einschlägigen Anthologien immer wieder als ein Klassiker der Gattung auftauchend. Man sollte annehmen, dass Hassinger die Mono-Mixes für Single durch satte Kompression noch besser klingen ließ. Statt dessen hatte er, wie hier bei den vielen Mono-Mixes, Alternativ- und Outtakes dieser Luxusausgabe zu hören, offenbar nur den Monosummen-Knopf am Mischpult gedrückt.

Das reuelos vergnüglichste Stück hier ist der eine Minute und zwei Sekunden dauernde Rundfunk-Werbespot für das brandneue Wah-Wah-Pedal von Vox, bei dem die Electric Prunes die Qualitäten desselben vorführen.

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