The Fratellis

Costello Music

Ein Destillat des britischen Gitarren-Pop, leider nicht mehr

The Fratellis aus Glasgow betraten die Popwelt – ähnlich wie die Libertines und Franz Ferdinand – schon als fertiges Produkt, zogen ein ganzes Bündel erdachter Mythen über Herkunft und Identität hinter sich her, hatten gleich einen Major-Deal, nahmen ihr Debütalbum in Los Angeles auf, headlineten eine Tour des britischen „NME“, kamen gleich mit ihrer ersten Single in die britischen Top 20 und landeten mit der zweiten ihren ersten Hit. „Chelsea Dagger“ hießt dieser unverschämt gutgelaunte T. Rex-Klon über ein sexuell uneindeutiges Wesen auf dem Tanzboden. „Well, you must be a girl with shoes like that.“

Okay, eigentlich war es eher ein „Ballroom Blitz“-Klon, und dahinter verbargen sich keine androgynen Glamwesen, sondern drei Vertreter dieser typisch britischen, bierseligen, machistischen, trikottragenden, kiffenden, angeprallten Spezies namens „lad“, die im letzten Jahrzehnt große Konjunktur hatte, als es manchmal genügte, männlich zu sein, einen albernen Haarschnitt zu haben und eine Gitarre zu halten, um so etwas wie Attitude zu verkörpern.

„And oh you know we country boys/Are only after sex and noise“, singen The Fratellis in einem zotig „Cuntry Boys & City Girls“ betitelten Song, der wie einiges auf diesem Debüt vor allem an die frühen Supergrass erinnert.

Man vergisst so leicht: Der ja eh hauptsächlich aus ästhetischen Rückgriffen bestehende Britpop befindet sich längst selbst in der Retroschleife, und es gibt tatsächlich Bands, die sich auf „Morning Glory“ beziehen, auf „Parklife“ oder „I Should Coco“. So scheint „Costello Music“ eine Art Readers Digest des britisch geprägten Gitarrenrocks zu sein. Der Supergrass-Schwung wird vermengt mit dem Rotzlümmeligen der Libertines, demjuvenilen der Arctic Monkeys, der „Girls & Boys“-Niedlichkeit von Blur und der unverbindlichen Gefälligkeit der Kaiser Chiefs, dazu die handelsüblichen The Clash- und Kinks-Referenzen, The Sweet-Harmonien und die Wir-sind-ganz-tough-Jungs-Haltung des (amerikanischen) Black Rebel Motorcycle Club. Nur von Costello (Elvis) ist keine Spur, es sei denn, man lässt Misogynie als künstlerisches Stilmittel gelten.

Manchmal ist es berauschend, dieses musikhistorische Destillat der Fratellis, doch ebenso oft bleibt bei aller Reduktion des Britpop auf das Wesentliche nur noch die pure Banalität übrig (was nahe legt, dass das Unwesentliche das wahrhaft Erhebende am britischen Gitarrenpop der letzten 15 Jahre war). „Costello Miuic“ könnte dem Kopf eines „NME“-Schreibers entsprungen sein, und so wundert es einen nicht, dass auch die Rezension im Fachblatt für das jeweils „next big thing“ klingt, als kopiere man sich dort selbst. Copy kills music.