The Golden Age Of American Rock’n’Roll Vol. 12 :: Noch einmal Standards und Raritäten in der bewährten Reihe

Bizarr und bekannt: Die in Amerika als Heilsbringer gefeierten Bands der sogenannten British Invasion schaufelten zunächst einmal en masse sprichwörtliche Kohlen nach Glasgow. Beatles, Animals, Herman’s Hermits, Rolling Stones, Yardbirds e tutti quanti bewunderten nicht nur grenzenlos Chuck Berry, Buddy Holly, Muddy Waters oder Elvis, 1963 im eigenen Land längst nicht (mehr) die angesagten Rock- und Pop-Idole. Herman’s Hermits fanden den „SiIhouettes“-Hit der Rays von 1957 so wunderbar, dass sie ihn umgehend aufnahmen. Fans vergleichsweise obskurer Songs von Arthur Alexander waren sowohl Beatles als auch Stones, die darum – „Anna (Go To Him)“ und „You Better Move On“ – bald auf ihren frühen LPs auftauchten. Ganz besonders hatten es John Lennon die Songs von bad boy Larry Williams angetan. „Dizzy Miss Lizzy“ machte er zur Rock-tour-de-force par excellence in den Anfängen der Beatles. An dessen „Short Fat Fannie“ erinnerte Mick Jagger noch Jahre später mit „Rip This Joint“ auf „Exile On Main St.“. Wie man aus dem frühen Motown-Soul „Please, Mr. Postman“ einen großen Pop-Ohrwurm macht, demonstrierten die Beatles auch sehr früh.

Die Originalaufnahme der Marvelettes findet sich auf Folge 12 dieser exemplarisch gelungenen Serie von Ace Records genauso wie der Klassiker von Arthur Alexander und die Debüt-Single von Larry Williams. „Short Fat Fannie“ war, wie die Liner Notes erzählen, als ungenierter Little Richard-Klau (oder auch Hommage, wie man’s nimmt) mehr die Idee zu einem Song denn ein solcher – die rezitierte Liste populärer Rock-Hits der letzten Zeit, die aber so inbrüns-tig mit an Nonsens grenzendem Witz vorgetragen, dass Specialty-Boss Art Rupe sich über seine nächste Nr. 5 freuen konnte. Hit-Potenzial besaßen für die Ohren der Kids damals nicht nur Songs, im selben Jahr schaffte es auch Bill Justis‘ Instrumental „Raunchy“ auf Platz 2 der Hitparade! An einige der größten Dauerseller wie „Butterfly“ von Charlie Gracie (1956 eine Nr. 1 immerhin) dürfte sich heute kaum noch jemand erinnern.

Noch obskurer ist die Horrorfilm-Parodie „Dinner With Drac Part l“, ein novelty song, mit dem es ein gewisser John Zacherle 1958 auf Platz 6 der Singles-Bestseller schaffte. Darum ist das auch die Aufnahme, die in den Liner Notes hier mit Abstand am ausführlichsten dokumentiert wird. So erspart man dem Käufer der CD mühselige Nachforschungen im Netz.

Einige der seinerzeit weniger erfolgreichen Songs unter diesen 30 Aufnahmen haben es längst zu Klassiker-Status gebracht, John Lee Hookers „Boom Boom“ genauso wie Marvin Rainwaters „Whole Lotta Woman“ und „Let’s Go Trippin'“ von Dick Dale & The Del-Tones, alle drei übrigens nur Nr. 60 der „Billboard“-Hitparade. Es ist wie immer bei dieser Serie eine gelungene Mischung, sprich aus Top-Hits („Handy Man“ von Jimmy Jones Nr. 2, „He Will Break Your Heart“ von Jerry Butler Platz 6) zum einen und zeitlosen Evergreens („Rainin‘ In My Heart“ von Slim Harpo nur Nr. 31, der Klassiker „Road Runner“ von Bo Diddley“ 1960 nur bis auf Platz 75 gekommen) andererseits.

Einige Entdeckungen gibt es auch zu machen, etwa „The Jam Part 1“ von Bobby Gregg And His Friends. Es war der erste und einzige bescheidene Hit desselben Bobby Gregg, der später übrigens das Schlagzeug auf der A-Seite von Dylans „Bringing It All Back Home“-LP und dem von Tom Wilson dezent „elektrifizierten“ Remix von Simon & Garfunkels „The Sound Of Silence“ spielte. Der wahre Star von „The Jam Part 1“ – auch darüber informieren die wie immer außerordentlich faktenreichen Liner Notes! – war aber der Gitarrist Roy Buchanan. (Ace/Soulfood)

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates