The Hidden Cameras
Awoo
Der Schockfaktor ist weg. es bleibt: schöner College-Pop
Als „The Smell Of Our Own“, das erste Album der Hidden Cameras, erschien, war das eine echte Sensation. Nicht die Ablösung des Bandkonzepts durch das 13-köpfige Popkollektiv oder die grandiosen Go-Go-Tänzer bei den Konzerten machten die Hidden Cameras zum Ereignis, auch nicht die Informiertheit in Sachen Gender-Fragen. Es waren die in gefälligen Pop verpackten Texte von Joel Gibb, die durch die ungewohnt explizite Thematisierung von Sexpraktiken, Körperöffnungen und -flüssigkeiten den homosexuellen Körper erst in die Welt des Pop einzubürgern schienen.
Drei Jahre sind seitdem vergangen, selbst Leute, die queerness lange für einen sagenumwobenen schottischen See gehalten haben, wissen mittlerweile was queerness ist, Rufus Wainwright sucht in 7oer-Jahre-Pornos den „Gay Messiah“, Morrissey singt „Now I’m spreading your legs with mine in between“, und die Plattenfirma macht Werbung damit. Die Normalität hat die Hidden Cameras eingeholt, und sie sind nun eine ganz gewöhnliche College-Pop-Band wie z. B. -sind wir mal ganz gemein – Death Cab For Cutie.
Stimmt natürlich nicht, die Hidden Cameras sind viel besser – auch ohne Innovations- oder Schockfaktor. Joel Gibb beherrscht den wohltemperierten Popsong mittlerweile mindestens so gut wie Stuart Murdoch und fast so perfekt wie Stephin Merritt – dazu allerdings beherrscht er die hohe Kunst der Variation noch nicht gut genug. „It’s been the same forever/ It’s the Start of it all“,
singt Gibb im ersten Song, der bezeichnenderweise „Death Of A Tune“ heißt. Vieles klingt tatsächlich, als hätten die Hidden Cameras einfach ihre alten Songs umgelegt, zerrissen und neu zusammengeflickt.
Doch die neuen Stücke verweisen nicht nur aufs eigene Werk, sondern zitieren gleich die ganze Pophistorie. Die Pep formance auf „Awoo“ hat wieder Talking Heads-Zickigkeit, R.E.M.-Pathos, Polyphonic Spree-Kitsch und Clap Your Hands Say Yeah-Genervtheit. Gibb scheint mit diesen Deja-Entendu-Erlebnissen sogar bewusst zu spielen. Aus R.E.M.s „It’s The End Of The World…“ wird etwa „Lollipop“ (raten Sie mal, worum’s in diesem Song geht), das trügerische Kinderlied „Fee Fie“ klingt wie eine frühe Stones-Ballade, und doch erkennt man immer wieder die altbewährten Gay-Church-Folk-Music-Elemente. Nur „Heji“ beginnt wie ein gefährliches Rockmonster und endet ohne ein Wort im Feedback.
Es sind die Rekontextualisierungen, das Umlenken von Erwartungen und das unironische Zitat an der „falschen“ Stelle, die einen davon überzeugen, dass die Hidden Cameras eine größere Aufmerksamkeit verdienen als 60s-Kiffer-Retro-Kapellen wie, sagen wir: The Coral, aber es sind am Ende Joel Gibbs Melodien und Arrangements, die „Awoo“ zu einer schönen, gefälligen Wohlfühlplatte machen.