The Hives – Tyrannosaurus Hives

Rock ist zurück, haben wir uns vor knapp zwei Jahren gefreut Jetzt wäre es uns ehrlich gesagt lieber, wenn Rock ganz ganz schnell wieder abhauen würde.

Denn aufregende Bekanntschaften, in besoffenen Nächten geschlossen, weil aus der Bauchgegend ein starker, kaum widerstehlicher Impuls kam, sind im Licht der nächsten Mittagssonne entweder hirnlose Affen oder, noch schlimmer, mit hirnlosen Affen verheiratet. Das erste Mal mit den Strokes, Hives, Vines, Datsuns, Von Bondies, Yeah Yeah Yeahs oder dem BRMC hat Spaß gemacht, beim zweiten Mal half meistens nur der dämliche Klassiker: Muss man live sehen! Darf man nicht so eng sehen. Dass Kategorien wie Jugendlichkeit, Energie und Blutdurst plötzlich wieder so universell nützlich gewesen waren, hat vor allem die Popkritiker gefreut, unter ihnen besonders die latenten Intellektuellen-Hasser. Live und nicht so eng sehen konnte man diese Art von Rock’n’Roll bekanntlich die gesamten Neunziger hindurch, bei Skandinavien-Specials in den Jugendhäusern von Studentenstädten.

Einen künstlerischen Ausweg gibt es durchaus. Die Libertines werden kommenden Monat ein Herzensbrech-Album veröffentlichen, und ausgerechnet die Hives haben mit „Tyrannosaurus Hives“ ihre eigene Lösung, mit dem dritten Album, dem ersten seit ihrer öffentlichen Entdeckung, dessen Titel schon so blöd ist, dass er fast wieder… genau.

Und die erste Begegnung ist grässlich. „Tyrannosaurus Hives“ das erste Mal zu hören, das ist, als müsse man mit einem schweren Wodka-Kater fünf Vorschüler babysitten und mit ihnen alle Pat-und-Patachon-Filme hintereinander anschauen. Die zwölf Lieder dauern 30 Minuten und drei Sekunden (noch ein Gag), weshalb man sie in zwei Stunden viermal hören kann, in vier Stunden achtmal, in zehn Stunden wahrscheinlich schon 21-mal, denn die Platte wird immer schneller.

Man kann auch die Stones-Single „Honky Tonk Women“ auf 80 Umdrehungen abspielen oder in einem Hochgeschwindigkeitszug an einem Konzert der frühen AC/DC vorbeifahren – die Hives wurden mit ihren Ur-Riffs immer für Vertreter des Fundamentalen gehalten, in Wahrheit sind sie Meister der Übersteigerung, der Karikatur, des treffenden Comics. Das sind nicht die Stooges, das sind Künstler wie Devo (deren interessante Theorie von menschlicher De-Evolution und Verkindlichung die Hives weitertreiben) oder im weitesten Sinn die Mit-Schweden ABBA. Deren Marotte, jeder Silbe Pidgin-Englisch einen einzigen Stakkato-Ton zuzuordnen, hat die Band sich abgeschaut: „Two-Timing Touch And Broken Bones“.

Die schrillen, harten, beileibe nicht dreckigen Gitarren sind mehr der Sound des Hamsterrades, durch das der Sänger Pelle Almquist läuft und hetzt, manchmal auch rückwärts, wobei ihm die Augäpfel an Gummibändern aus dem Kopf springen und die Mundklappe beim Schreien auf den Boden fallt. In „B Is For Brutus“ tapst die Gitarre wie ein dicker James Bond oder eine Cartoon-Bulldogge, die losgeht, um eine Katze zu verhauen, „Love In Plaster“ ist ein Surf-Stück, selbstverständlich bei Blitzgewitter am Strand. Es gibt auch Refrains, die man zurückgelehnt goutierten kann, wenn man durchhält. Nicht zu viele, aber die Affen schaffen das.

„Tyrannosaurus Hives“ ist eine Platte, die einen selbst erst so gejuckt und verrückt macht, wie man von Anfang an hätte sein müssen, um sie gut zu finden. Wie der tödliche Witz von Monty Python: Wenn man lacht, ist es zu spät. Nicht für Rock’n’Roll Blutsbrüder.

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