The Man Who Wasn’t There

(Start 8.11.) Seit ihrem düsteren Debüt „Blood Simple“ variieren die Brüder Joel und Ethan Coen vornehmlich den Film noir, wahlweise auch kombiniert mit Motiven des Cartoons („Arizona Junior“), Musicals („O Brother, Where Art Thou?“), Horror- („Barton Fink“) und Hippiefilms („The Big Lebowski“), der Screwball Comedy („Hudsucker“) oder als – authentisch deklarierte – Antwort auf die lässigen Gewaltposen von Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ wie in ihrem Meisterstück „Fargo“.

Die Coens sind Kinder, wenn nicht gar Mitbegründer des postmodernen Kinos, das sich aus Referenzen und Zitaten speist, als Hommage, Satire oder Fusion begreift und dabei gerne mit intellektuell verklausulierter Ironie auf sein universelles Wissen verweist Erklären wollen die Coens ihre Filme, denen Kritiker schon mal jegliche „Botschaft“ abgesprochen haben, nur selten. Statt dessen bezeichnen sie diese lediglich als Rahmen für ganz private Scherze und sitzen dann wohl lachend in Minnesota, wenn ihr neuer Film als seelenlos, kalt oder leer gescholten wird.

„The Man Who Wasn’t There“ eignet sich vortrefflich, um mal wieder auf dieses Vokabular zurück zu greifen. Mit makelloser, bestechender Schwarzweiß-Asthetik zeigen die Coens in einer sauberen kalifornischen Kleinstadt Ende der 40er Jahre das öde, träge Alltagsdasein des Friseurs Ed Crane (Billy Bob Thornton), der erst zum Erpresser, dadurch zum Mörder und schließlich hingerichtet wird für eine Tat, die er gar nicht begannen hat. Er ist eine Paradefigur für das Spiel der Coens, bei dem möglichst viele Regeln verletzt werden, ohne mit ihnen wirklich zu brechen, etwa indem sich Charaktere anders verhalten, als es das Genre vorsieht Crane ist zuerst mal ein klassischer Held des Film noir: wortkarg, mit eleganten Anzügen und stets einer Zigarette im Mundwinkel. Andererseits ist er ein typischer Spießer und naiver Träumer, der sich von einem Vertreter eine Investition für das „Zukunfbgeschäft Trockenwäsche“ abschwatzen lässt Die nötigen 10 000 Dollar verschafft er sich mit einem anonymen Brief an den Kaufhausbesitzer Big Dave (James Gandolfini), der eine Affäre mit Cranes gelangweilter Ehefrau Doris (Frances McDomand) hat.

Cranes Phlegma, das Thornton brillant bis zum bitteren Ende ohne ein Lächeln oder irgendeine Gemütsregung durchhält, bestimmt auch den Rhythmus des Films. Ja, es ist seelenlos in dieser Provinzwelt, deren Leere nur dröhnendes Gerede von Leuten füllt, an denen Crane vorbei starrt, als sei er nicht da. Schweigend nippt er an einer Tasse Kaffee, während sein Anwalt einen riesigen Teller Spaghetti mit Meeresfrüchten mampft und eitle Reden schwingt. Die Komik liegt natürlich in der Lakonik, mit der die Coens unerbittlich den Blick auf die Kleinigkeiten richten. Bei allem Aberwitz, der dadurch entsteht, muss man aber einen eisernen Humor haben, damit einen der Trott nicht einschläfert – und ist dann um so berührter, wenn Thornton in einigen Momenten plötzlich eine Mitgefühl erregende Wärme vermittelt Man kann aber auch bei vielen Szenen einfach nach den Vorbildern suchen. Manchmal scheint übrigens ein Ufo vorbei zu fliegen.

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