The Shamen – Hempton Manor und Motorbass – Pansoul :: Virgin; Pias/RTD

V iruin 3,5 MOTORBASS PANSOUL PIAS/RTD Remember Rave. Popkultur als Party. Mit House-Beats aufgemotzter Sixties-Rock. Guarana, Gatorade, Glückspillen. DJs wie Andrew Weatherall, Paul Oakenfold und Terry Farley brachten Riffe von Schrammelbands wie Soup Dragons, Happy Mondays, The Farm oder Primal Scream zum Grooven, und die Kids tanzten in Massen zu den psychedelischen Rhythmen auf Blumenwiesen. Die Bands verschwanden, ihr Remix-Rock aber hatte die 90er Jahre eingeläutet als multikulturelles und multimediales New-Age-Jahrzehnt, in dem Ecstasy und Esoterik, Latex und Liebespostualte, Technologie und Tanztrips zu einem Rauschkosmos archaischer Rituale abgemischt und gesampelt werden. Der DJ ist ein Guru der Ekstase, die Tänzer fühlen sich nearlygod, und Tricky empfindet sich bereits wie selbiger. Und DJ Bobo gibt es als Bastard fürs Kinderzimmer. Geblieben sind The Shamen, die damals schon dem näher waren, was heute von Spezialisten definiert und doch im weitesten Sinne unter Acid, Ambient, Dub, Techno und TripHop in Clubs und Charts aufgelegt wird. Portishead haben verzerrte Gitarren mit hypnotischen Bässen aufgenommen, und wenn sogar die Berserker Therapy? mit einer „Photek Remix“ genannten Version von „Loose“ auf einem Sampler mit der neusten Stil-Sezierung Drum ’n‘ Bass einen Platz finden, ist der musikalische Ur-Rave nicht weit Auch The Shamen haben als Gitarrenband begonnen, dann die Riffe zu Schleifen erweitert und ihre Electro-Rap-Hymne „Pro Gen“ von Oakenfold bearbeiten lassen. Sie waren aber schon beim Sound Systemaus Schamanentum, Stratoskopblitzen und Space-Synthesizern, als andere Bands in der traditionellen Rock-Show verhaftet blieben, und schwangen sich mit ihren Hits „Love Sex Intelügence“, „Move Any Mountains“ oder „Ebeneezer Goode“ trotzdem zu Popstars und Disco-Ikonen auf. In Titeln wie „Re:Evolution“ und „Possible Worlds“ ist der Überbau zu ihrer Synergy-Methode bereits manifestiert: Aufbruch und Anpassung, Reanimation und Rollgriff und vor allem virtuelle Welten, in denen psychedelische Paradiese blühen – und Kiffen zu einem höheren Bewußtsein fuhrt Cyber-Hippies. Diese Evolution vom Electro-Pop über Rave bis zum Drum ’n‘ Bass ist auf dem sechsten „Hempton Manor“ zu hören, mit dem sie eine fetischistische Symbiose aus Hanfpflanze und Homepage herstellen. Die Tracks tragen Titel wie „Urpflanzc“, „Rausch“ und „Canabeo“ und klingen wie ein Tanz im Cyberspace. In den virtuellen Vibes sind Trance, Techno oder TripHop immer schon da, aber The Shamen sind zu cool, um dies auszudeuten. Diesmal ohne Sängerin und Rap-Lyrics von Mr. C, bleibt die Musik ganz bei sich. The Shamen haben alles gesagt – und in ihrem Kontext musikalisch nichts mehr hinzuzufügen. Wer mehr wissen möchte, kann unter dem Passwort „Green Spirit“ im Internet bei Colin Angus anklopfen, der sich nun auch Lord of Hampton nennt und daran feilt, Sprache durch kryptische Zeichen und zentrifugale Klänge zu ersetzen. Motorbass sind dabei schon etwas weiter. Das Projekt von Rapper MC Solaar und La Funk Mob vereint die besten Effekte von Ambient, House, Dub und HipHop unter monotonen schweren Bässen, die mit buddhistischer Gelassenheit zu Scratch-Schleifen und seltsamen Soul-Stimmen vibrieren. Alles ist Seufzen und Schrei und Scheppern und bündelt sich zu einem postapokalyptischen Chanson mit dunkler, tiefer, mystisch-urbaner Melancholie. „Pansoul“ st eine Platte, die Techno terminiert, da sie dort anfangt, wo Raver aufhören – der letzte Kick für den Kater am Morgen danach. Oliver Hüttmann

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