The Smashing Pumpkins – MACHINA/The Machines Of God
Die beste Band der Welt bis übermorgen, wie nach ihrem Debüt „Gish“ geunkt wurde, sind sie für Nörgler immer geblieben. „Siamese Dream “ wurde dementsprechend gemischt bewertet, dem Doppelalbum „Mellon Collie And The Infinite Sadness“ gescheiterter Größenwahn attestiert, das Maschinengerocke von „Adore“ zumeist abgestraft. Der Erfolg sollte ihnen nicht Recht geben, die Eigentümlichkeit ihrer Musik blieb verkannt. Oder dialektisch ausgedrückt: Im Rückblick ist ihre jeweils vorherige Platte die bessere, und also waren die Smashing Pumpkins die beste Rockband der 90er Jahre.
Man kann es auch so sehen: „Gish“ war in seiner auftrumpfenden Wehmut ein Versprechen, das die Hymnen auf „Siamese Dream“ mehr als einlösten „Mellon Collie“ geriet zum rasenden, operngleichen Kraftakt und ^4dore“ zum Finale, das die Songs wie Schlussmonologe zelebrierte. Vier Akte eines Dramas aus Schmerz und verzweifelten Schwärmereien, Andacht und Abschied, Liebe, Larmoyanz und Leiden am Leben, Hauptfigur: William Patrick Corgan. Ein ungelenker Bub mit Mondgesicht und zu langen Armen, der trotz autistischer Attitüde die große Geste beherrscht, zwischen Hamlet und Othello, Dr. Jekyll & Mr. Hyde wandelt. Den Egozentriker und seine Gefährten umgab stets ein Schleier der Tragik am Abgrund. Drogensucht, Suizidversuche, Überdosis. The killer in tne… Allerdings hat das Tröstliche in Corgans theatralischen Abgesängen auch mehr als ein Leben gerettet.
Die Schicksalsschläge sind indes die wenigen Hinweise darauf, dass hinter dem Giganten Corgan noch weitere Leben existieren bei den Smashing Pumpkins. Denn „Adore“ war der letztendliche Beleg dafür, wie sehr er als sanfter Stalin dieser Band vorsteht und die anderen höchstens shareholder sind. Wie Nosferatu sah Corgan damals aus. Und seine Stimme irrlichterte so raumgreifend prägnant durch die Songs, dass die Musiker noch mehr wie Staffage schienen als die vielen Keyboards, Synthesizer, Drumcomputer im Hintergrund, ja kaum noch vorkamen. Der Sonnenkönig und seine Maschinenmenagerie. „Adore“ war seine Platte.
Vielleicht hat die Bassistin D’Arcy deshalb nun hingeschmissen, nachdem bereits die neue Bandmanagerin Sharon Osbourne nach nur drei Monaten aufgegeben hatte, „sick of this stupid little boy“. Und von der Band Filter verlautete, ihr Kumpel Billy hätte ihnen gesteckt, dies fünfte Album sei auch das letzte, das von den Smashing Pumpkins als Band erscheine. Der Diktator dementierte nicht. Statt dessen ersetzte er D’Arcy durch Melissa Auf Der Maur, die ja bei Hole durch Corgans Hassliebe Courtney Love Dominanz gewohnt ist. Zudem durfte der vor drei Jahren geschasste Jimmy Chamberlin, wieder mal vom Heroin genesen und geläutert, auf seinen Schlagwerk-Schemel zurückkehren. Ein Neuanfang unter alten Vorzeichen im Jahre 00.
So ist au£ MACHINA/The Machines Of God“ – obschon der Titel anderes vermuten ließe – denn auch weniger Elektronika zu hören als „Adore“. Wenn allerdings Corgan Gott ist, sind seine Mitspieler die Maschinen. Und die funktionieren wie geschmiert. Während der Aufnahmen war D’Arcy noch im Studio, die Ursprungsformation also noch einmal beisammen und auch Flood wieder dabei, der ihren kommerziellen Triumph „Mellon Coffee“ produziert hatte. Ein trügerisches Heil im ohnehin immer brüchigen Gefiige – wie „The Everlasting Gaze“, so der Titel des ersten Songs, in dem Corgan mit dem Glauben ringt: „Though god is harsh/ Forbidden thought/ We can never ever know/ You know I’m not dead/ I’m just the tears in your head.“ Ein typischer Corgan-Kracher, den die Band mit sägenden Rifls und peitschendem Ryhthmus wie aus einem Guss darbietet bis zu Corgans dramatischer Kunstpause, wenn er atemlos mit heiserer, weinerlicher Stimme skandiert: „We all want to hold in the everlasting glaze/ Enchanted in the rapture of his sentimental sway/ But under the wheels lie the skulls of every cog/ The fickle fascination of an everlasting god.“ Ob er um die Liebe Gottes barmt oder den Götzen Liebe anbetet – seine Passionslieder machen da keinen Unterschied.
Nach dem verheißungsvollen Auftakt folgt mit „Rain Drops 8C Sun Showers“ ein stringentes Stück Pop, in dem doch noch mal die Drummachine rumpelt, nicht so einsam, seltsam wie auf „Adore“, aber mit entrückter Melancholie, als ständen an der Tastatur die Pet Shop Boys. Ohnehin klingt hier einiges recht britisch. Der schmachtende Satz „Stand Inside Your Love“ hätte so auch auf jeder Oasis-Platte stehen können, aber in bewährter Pumpkins-Manier gebremst gespielt mit plötzlichen Propellergitarren und Schlagzeugstakkati. Damit beginnt allerdings auch ein eher einlullender, einseitiger Abschnitt des Albums. In „I Of The Mourning“ besingt Corgan, der seine alte Vorliebe für Boston und ELO nie verhehlt hat, die heilende Wirkung von Lieblingsliedern: „Radio, Fm alone/ Radio, radio, please don’t go.“ Doch in „The Sacred And Profane“ und „Try, Try, Try“ helfen auch hübsche Harmonien und Akkorde nicht Es ist der Stadionrock, der den Pumpkins sonst zu Unrecht vorgehalten wurde.
Geweckt wird man erst von der „Heavy Metal Machine’*, Corgans Rückgrat und gleichsam ein Stützpfeiler im Mittelteil des Albums angelegt. Gehobelter Lärm, volle Dröhnung und eine „Let me die for rock’n’roll“-Essentialität auf der Höhe von Thin Lizzy. Und nach dem knarzigen College-Rocker „The Imploding Voice“, man hat die Hoffnung fast aufgegeben, bricht mit kathartischer Kraft doch noch ein Meisterstück durch. Chamberlin trommelt einen Takt im Trab, die Gitarren wimmern, werden wuchtiger, steigern sich ins Feedback und Fiepen. Weißes Rauschen. Dann wird ein desperates Telefongespräch zugeschaltet wie aus dem All, während ein Piano säuselt und leiert, bis wieder Corgan übernimmt zu sphärischen Melodien. In „Glass And The Ghost Children“ erzählt er mit weggetretener Stimme eine bizarre Geschichte von „Black rooms are calling to men in leather coats/ White labs are cooking up the silver ghost“, von Cherry Cola, Spinnen, „a dream of soft sunset focus sunsets filters thru the din“, TV und DNA. Eine Messe, zehn Minuten lang und eine Ewigkeit Hört sich die erste Hälfte eher wie eine Rückschau an, klingt das restliche Album nach Standortsuche. Zaghafte Experimente, mehr Pop und Prog, fast schon Wave. Ein unausgegorenes Werk des Überganges, vielleicht des Endes, nicht unbedingt ein Versprechen. Oder nur verkannt. Dann wird übermorgen alles wieder besser.