The Velvet Underground :: The Velvet Underground & Nico :: POLYDOR

Zusätzliches Material der gut dokumentierten Sessions von 1966 Was Andy Warhol diversen Plattenfirmen als das Debüt der von ihm protegierten Velvet Underground anzudienen versuchte, war für die Verhältnisse von 1966/67 allemal starker Tobak: Songs über Sadomaso-Praktiken und Lederfetischismus („Taste the whip in love not given Iightly/ Taste the whip, now bleed for me“ war zumindest alles andere als herkömmliche Pop-Lyrik), über das Stricher- und Drogen-Milieu, den Ennui der New Yorker Kunst-Szene und Außenseiter-Existenzen wie Beardless Harry, Margarita Passion und Teenage Mary, über Fixer und Models, die’s mit jedem betuchteren oder einflussreicheren Typen treiben. Da waren Lieder wie „Femme Fatale“ noch die harmloseren und „Sunday Morning“ oder „Fit Be Your Mirror“ ja von nachgerade pastoraler Gelöstheit.

Diverse Plattenbosse winkten umgehend indigniert ab, weil sie manches für amerikanische Ohren als absolut unzumutbar befanden. Auch diesen John Cale mit seiner schrägen elektrisch stärkten Viola, der er Splittertöne zu entlocken wagte. Und nicht zuletzt diesen Sänger mit der etwas monotonen Stimme, der dann plötzlich bei Songs wie „European Son“ völlig außer Rand und Band geriet.

Der Rest ist bekannt: Das MGM-Sublabel Verve, das kurz zuvor Frank Zappa und seine Mothers of Invention als nächste Untergrund-Sensation unter Vertrag genommen hatte, war dann doch der Auffassung, dass das Album schon auf der Basis von Andy Warhols Popularität ein Selbstläufer sein würde, und veröffentlichte ein geschlagenes Jahr nach den Aufnahmen die LP mit dem berühmten Klapp-Cover und der abziehbaren Banane. Reed hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst mit der ihnen aufgenötigten Sängerin sowie seinem Mentor überworfen. Vorbei war’s mit der ganzen „Exploding Plastic Inevitable“-Show. Ab sofort trat die Band jahrelang – in New York wurde das Album nur indifferent registriert verärgert nie mehr in der eigenen Stadt auf, sondern tingelte durch die Provinz oder durch Qubs in San Francisco, wo die später nachgereichten Live-Mitschnitte entstanden.

Andy Warhol firmierte zwar als angeblicher Produzent, hatte aber an den Aufnahmen noch weniger Anteil als der an späterer post production beteiligte Tom Wilson. Dass Verve „Sunday Morning“ als Single auskoppelte, war absurd. Denn der Song war nun überhaupt in keiner Weise repräsentativ für Tenor und Vision des Werks. Dieses Album aber wurde peu ä peu ein Monolith in der Geschiente der Rockmusik.

Von den vorbereitenden Sessions zu der Platte existieren im Archiv kilometerweise Bänder. Kein Meter davon ist auf dieser Deluxe-Edition zu hören, nur auf dem Box-Set „Peel Slowly And See“. Stattdessen optierte man, warum auch immer, dafür, den Mono-Mix derselben auf CD erstmals als Bonus nachzureichen und zusätzlich jene Aufnahmen von Nicos Solo-Debüt, bei denen sie von der Band begleitet und von John Cale produziert worden war. Außerdem die Single-Mixes von „All Tomorrow’s Parties“, „I’ll Be Your Mirror“ (die Version mit dem korrekten, nicht vorzeitig ausgeblendeten Ende, gut so), „Sunday Morning“ (mit einem den Einsatz vorgebenden Tonmeister) und „Femme Fatale“ (nur der Monosummen-Knopf gedrückt in dem Fall). In der Überspielung ist das praktisch identisch mit der späten, von Mobile Fidelity Sound Lab als Gold-CD vorgelegten Version. Niemand fand sich bemüßigt, die nun echt nicht zu überhörenden Bandstörungen, Übersteuerungen und Verzerrungen der in diversen Studios entstandenen Originalproduktionen nachträglich kosmetisch mit digitalem Gerät auszumerzen. Was genau genommen auch alles seine Richtigkeit und historische Wahrheit hat.

Doof und unverständlich allein: Besagte CD enthält auch einen prima Alternativ-Mix von „All Tomorrow’s Parties“, bei dem Nicos Stimme nicht „double-tracked“ ist. Für den wäre hier bei gerade mal 60 genutzten Minuten Spielzeit nun wirklich noch reichlich Platz gewesen. Hat keiner gemerkt.

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