The Verve :: Urban Hymns
Wo immer man anrief in den Wochen vor der Veröffentlichung des herbeigeredeten Meisterwerks: „Hast Du schon die Verve? Soll sehr gut sein.“ Muß man haben, liebe Freunde, samt „Bittersweet Symphony“, diesem leiernden Schmarren, auch noch von den Hirschen Jagger und Richards abgeschrieben. The Verve hießen früher Verve und hatten keine; mit Artikel haben sie jetzt zwar auch keinen Schmackes und keine Art, aber die „Urban Hymns“. Prätentiösen, larmoyanten Quark wie „The Drugs Don’t Work“ (nicht: „Drugs Don’t Work“!), und das klingt so: „Now the drugs don’t work/ They just make you feel worse/ I know I’ll see your face again.“ Pubertäts-Lyrik halt, das Mädchen ist weg, „never Coming down“. Es wird kein Pulp draus.
Wie in der Pubertät graben The Verve in der Musik der Vergangenheit, zünden Räucherstäbchen an und übernehmen die eine oder andere Idee von den Knallköpfen Kula Shaker. Und anders als bei Radiohead waltet hier nicht der winzigste Wahnsinn, kein Rest von Unverständlichkeit und Nicht-einverstanden-Sein, bloß der dumpfe Jammer. Über zwei, drei Singles gestreckt und beflügelt von der Selbstsuggestion der müden Journaille sowie der angeschlossenen Karawane hat sich die Erwartung ordentlich hochgeschaukelt. Der Schlunz Richard Ashcroft ist ein koketter Schwätzer, der im Jugendmagazin damit prahlt, er hätte bei der Abiturprüfung einfach den Klassenraum verlassen, das Wetter war so schön.
Könnte sein, daß er auch vorher schon einiges verpaßt hatte, denn sonst würde er kaum dichten: „Ain’t got no lullaby/ There is no space and time oh Lord.“ Dazu erklingt natürlich alles, was man liebt oder einmal liebte. „Urban Hymns“ führt einem so die eigene Peinlichkeit und Stagnation vor: Es muß nur schön gefühlig und pompös werden, schon quillt die Zähre. Und man will sich ja auch nicht gegen die Zeit stellen. Geht sowieso nicht, weil es Raum und Zeit nicht gibt, oh Lord. „Urban Hymns“ ist die Gaukelei des Jahres. Das Jahr 1997 aber hat die Heizdecke The Verve verdient.