Tift Merritt – Tambourine
Der alte Country-Rock hat eine neue schönste Stimme Es ist erst ein paar Jahre her, dass Tift Merritt auf den Straßen von Austin sang, ein zierliches, schmutziges Ding in zerrissenen Chucks und mit einer Rotte Möchtegern-Musiker im Rücken. Nichts Besonderes dort, doch was den Passanten unwillkürlich in Bann zog und nicht so schnell wieder losließ, war diese Stimme: kräftig und stets kurz vorm Brechen, voller Wärme und Vibrationen. Dieses Mädchen würde seinen Weg machen, jede Wette.
Wette gewonnen. Doch hätte man sich einen anderen Weg gewünscht Sicher, diese umwerfende Stimme ist noch da, sie schmeichelt und kratzt, ziert sich und bäumt sich auf, ist mal schneidend, mal sacht Nur die Musik hat sich gewandelt Wo die texanische Weite lockte, herrscht nun urbanes Treiben, wo Country war, ist jetzt Rock. Country-Rock. Von Produzent George Drakoulias sauber und satt in Szene gesetzt, Twang-Trust-informiert, aufrunden Wohlklang abonniert War Tifts letzte LP „Bramble Rose“ vor zwei Jahren noch züchtig und schüchtern instrumentiert mit Merritts Stimme im Vordergrund, klingt „Tambourine“ zwar nicht halb so betulich, aber auch nur halb so beschaulich.
Drakoulias setzt auf Druck, elektrische Gitarren spielen führende Rollen, Farfisa, Hammond und Wurlitzer orgeln fett, zu den Musikern zählen Mike Campbell, Benmont Tench und Neal Casal, zu den Background-Sängern Maria McKee und Gary Louris von den Jayhawks, die ja selbst zu Drakoulias‘ zufriedenen Kunden gehören. Eine Platte also, in die sich Tom-Petty-Fans verlieben können, eine Platte, die mit sanft rollenden Grooves aufwartet, mit New-Orleans-Funk und mit Gospelchören. „Ain’t Looking Closely“ spielt mit der Erinnerung an Roger McGuinns 12String. „Shadow In The Way“ mit Stones-Flair, „Late Nite Pilgrim“ evoziert die Eagles, „Write My Ticket“ ginge als Outtake von Lucindas „Essence“ durch. Kalkuliert? Könnte man vermuten. Wäre da nicht diese Stimme, die jeden Sound in den Schatten stellt Nur gelegentlich wünscht man sich die glatten, gefügigen Arrangements zurück, mittels derer Ethan Johns auf „Bramble Rose“ die Bühne bereitete für große Auftritte der Texanerin. Etwa wenn die Texicali-Bläser übermäßig Wind machen oder wenn sich das Rock-Backing allzu forsch den Konsens-Fuzzis in Radioland anbiedert Dann denkt man wehmütig an Kelly Willis zurück, ein anderes Wondergirl aus dem Lone Star State mit Gold in der in der Kehle und einer Karriere aus Blech. Die beiden kennen sich, Tift ist gewarnt.