Tim Isfort – Orchester

Neulich klang er überhaupt nicht beschwingt, da chauffierte er noch mit einem Taxi jede Nacht und siebenmal die Woche Menschen in die Bronx oder nach Brooklyn, und Bernhard Herrmann rollte dazu seine schweren Streicherteppiche aus. Doch jetzt säuselt

Christian Brückner, der besser bekannt ist als „Die Stimme von Robert De Niro“ und mithin in der deutschen Synchronisation von Scorses „Taxi Driver“ tiefschwarze Monologe halten muß – jetzt also säuselt Christian Brückner in „Nachteulen“: „Die Laternen, der Asphalt/ Die parkenden Autos/ Die Blätter an den Bäumen/ Die im Park vor sich hin träumen.“ Daß ausgerechnet die deutsche Stimme des Psychopathen Travis Bickle in Weltumarmungsstimmung das Glück der Nacht beschwört auf einem Album, dessen Musik zuweilen orchestral auftrumpft, als stamme sie aus einem Score von Hitchcock-Komponist Bernhard Herrmann, ist nur eine von vielen seltsamen Begebenheiten eines an seltsamen Begebenheiten reichen Unterfangens.

Worum es geht? Okay, hier die Zusammenfassung eines langen Prozesses: Tim Isfort, ein Musiker aus dem Westfälischen, geht mit Orchester ins Studio und nimmt Kompostionen auf, die sich an Miles Davis und Gil Evans orientieren, am blümeranten Swing eines Henry Mancini – und an all den anderen Größen, die sich zwischen klassischer Unterhaltungsmusik und mittelschwerem Jazz tummeln. Dazu singt eine beachtliche Ansammlung von Semi-Prominenz deutschsprachige Texte -je hölzerner übrigens, desto hübscher. Die bekanntesten Teilnehmer: Katharina Thalbach, Blixa Bargeld, Tom Liwa von den Flowerpornoes und eben Christian Brückner.

Eine respektables Album hat das Tim Isfort Orchester so eingespielt, und dem kleinen Hamburger Label Moll muß für die Veröffentlichung unbedingt Achtung gezollt werden. Doch die Euphorie derjenigen, die bei einer regentropfentraurigen Trompete in Verzückung geraten, ist genauso unangebracht wie die paranoide Empörung vieler Journalisten, die im hohen Aufkommen an Personen aus Funk und Fernsehen einen Promo-Schachzug mit Blick aufs Feuilleton ausmachen.

Die Schwächen dieses Projekts liegen auf der Hand – stellen aber keineswegs seine Existenz in Frage. Zu dicht eiert Tim Isfort zuweilen an seinen Vorbildern vorbei, mit den Bläsersätzen in „Der erste Tag des Sommers“ zum Beispiel kopiert er (bewußt?) die Adaption von „Will O‘ The Wisp“, die auf dem Davis/ Evans-Album „Sketches Of Spain“ zu finden ist Tom Liwa, der die meisten und die besten Texte beigetragen hat, trinkt in „Als sie zwanzig waren“ eine Tasse Tee mit einer alten Dame. Das ist das Schöne an diesem Album, bei dem Glamour nur auf Sparflamme glimmt: Es leugnet nicht seine Herkunft aus Downtown Duisburg.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates