Tipp: Maps To The Stars :: Regie: David Cronenberg

Filmstars sind eine Erfindung cleverer Studio-Mogule. Die Idee stammt aus der Zeit, als die noch junge Attraktion der Bewegtbilder erste Abnutzungserscheinungen zeigte, und die sich verflüchtigende Magie des Kinoapparats menschliche Projektionsflächen erforderte. Die Traumfabrik als Illusionsmaschine. Stars spielten in diesem System eine schizophrene Rolle: Sie mussten ihrem Publikum Nähe suggerieren und verkörperten zugleich die unerfüllten Sehnsüchte nach Glanz und Ruhm. Der Status des Filmstars basierte auf der Unerreichbarkeit dieser Projektion. Umso gieriger stürzten sich die Medien auf ihre Idole, hatte die eigene Hybris diese erst mal vom Sockel geholt. Kenneth Angers Klatschbibel „Hollywood Babylon“ ist ein frühes Indiz, wie ungerührt die Celebrity-Kultur mit den Verstoßenen und Gescheiterten verfährt.

David Cronenbergs „Maps To The Stars“ fällt in diese Kategorie von (Selbst-)Demontagen des Planeten Hollywood. Das Ensemble besteht aus abgewirtschafteten B-Prominenten, herumkrebsenden Möchtegern-Schauspielern und zynischen Profiteuren. Und dann ist da noch Benji, ein 13-jähriger gefallener Kinderstar mit Drogenproblemen. „Erwachsene im Entzug fördern ihre Karriere. Bei Kindern ist das etwas anderes“, erklären die Studiobosse. „Drews Karriere haben die Drogen auch nicht geschadet!“, lautet die geschäftsmäßige Replik in Anspielung auf die späteren Exzesse des süßen Blondschopfs aus „E. T.“. Branchenüblich wird in „Maps To The Stars“ viel Namedropping betrieben, Carrie „Prinzessin Leia“ Fisher hat sogar ein kurzes Cameo. Andere B-Prominente mieden Cronenberg dagegen vorsorglich. Im Gegensatz zum Dschungelcamp gilt eine Hollywood-Satire eher nicht als Garant für einen Karriereschub.

Am besten kommt in „Maps To The Stars“ folgerichtig der Nachwuchs weg. Benji (Evan Bird aus „The Killing“ in Hochform) ist ein verzogener kleiner Kotzbrocken, der seinen Agenten mit antisemitischen Tiraden beschimpft und sich später von Mutti tröstend den Kopf tätscheln lässt, während er über der Kloschüssel hängt. Seine Schwester Agatha, zuverlässig anämisch gespielt von einer prächtig vernarbten Mia Wasikowska, wirkt dagegen wie vom Himmel gefallen. Nach ihrer Ankunft in Los Angeles steigt sie als Erstes in eine Stretch-Limousine und erklärt dem Fahrer, gespielt von Robert Pattinson (der nach „Cosmopolis“ diesmal vorne sitzen darf): „Ich komme vom Jupiter!“ Gemeint ist allerdings das gleichnamige Bade-Resort in Florida, in das reiche Hollywood-Eltern ihre gestörten Kinder zur Behandlung abschieben.

Drehbuchautor Bruce Wagner kennt die Höhen und Tiefen der Filmindustrie aus erster Hand, heute wird er dafür als bissigster Hollywood-Chronist gefeiert. Zwar sind profunde Ortskenntnisse für die spitzen, in die schillernden Formen von Niedertracht und Selbsthass gepressten Plattitüden, die er seinen Figuren in den Mund legt, nicht unbedingt nötig. „Maps To The Stars“ schwelgt lieber in grobschlächtigen Klischees (inklusive Scientology-Bashing). Cronenberg, der zum ersten Mal in seiner Karriere in Hollywood gedreht hat, erinnert dabei selbst an ein staunendes Alien, sein Film folgt – wie der Titel suggeriert – den Celebrity-Routen der Traumwerkstatt, die entlang Hollywoods Sehenswürdigkeiten bis hinauf zu den Häusern der Reichen und Schönen führen. Einzige Vorgabe: In jeder Szene sollten Palmen zu sehen sein. Den wortreichen Furor Wagners bremst Cronenbergs langjähriger Kameramann Peter Suschitzky mit distanzierten, eher beiläufigen Einstellungen aus.

Der Übersichtlichkeit halber konzentriert sich „Maps To The Stars“ auf ein besonders schrilles Exemplar von Hollywood-Familie, mitsamt anliegenden Höllenkreisen. In der Filmindustrie sind ohnehin alle irgendwie miteinander verwandt – oder man hat zumindest denselben Agenten. Die wie so oft über den Dingen stehende Julianne Moore kreist wie ein irrlichternder Satellit um die dysfunktionale Weiss-Familie, ihre erratischen Auftritte verleihen Cronenbergs bodenständiger Moral eine unsichere Fallhöhe. Moore spielt eine in die Jahre gekommene Hysterikerin, die buchstäblich über Leichen geht, um in einem Indie-Remake die Rolle ihrer verstorbenen Mutter zu ergattern. Ihre Medikamentenliste ist so bunt, dass Cronenberg uns nicht die Freude vorenthält, ihr auch beim Scheißen zuzusehen.

Mit seinen letzten Filmen, vor allem „History Of Violence“, hat er die Durchlässigkeit von Horror und Humor wiederholt in genialen szenischen Miniaturen getestet. „Maps To The Stars“ denkt diesen Zusammenhang nun vom anderen Ende her: Seine erste Komödie schlägt in permanentes Unbehagen um. Nach eher gemäßigten Werken, DeLillo-Verfilmung und Freud-Biopic, ist dieser Film selbst im Cronenberg-Kanon extrem.

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