TISH HINOJOSA :: BERLIN, HUXLEY’S CANTINA

Heute hängt der Himmel nicht voller Fiedeln, ist die Schwermut nicht so ansteckend, das Glücksgefühl nicht so schwerelos wie sonst, wenn die Tex-Mex-Diva mit Engelsstimme das Leben und Leiden in den texanischen flatlarids und badlands besingt. Tish Hinojosa ist indisponiert, vom europäischen Winter ihrer Kraft und Klarheit beraubt. Sie fühlt sich elend, weiß bis kurz vor Show-Beginn nicht, ob sie dem Publikum ihre Erkältung zumuten kann.

Und dann steht sie natürlich doch auf der Bühne, hüstelnd zwar, doch beflügelt vom warmen Empfang und wie immer getragen vom cross-kulturellen Credo ihrer bilingual gesungenen Botschaft und der innigen Liebe zu ihrer Border-Music. Tish Hinojosa ist am eindringlichsten, wenn sie ihrem Liebreiz freien Lauf läßt, wenn sie sich einfach in die Songs legt und mit dem melodischen und rhythmischen Tex-Mex-Formeln zaubert. Eine Magie, die noch immer gewirkt hat.

Doch fern der Heimat ist ihr Zelebration nicht genug. Tish sieht Erklärungsbedarf, spricht von ihren kulturellen Wurzeln, kommt uns als Missionarin der Völkerverständigung. Oh, geton with it. Auf die Interpretation folgt die Inbrunst, erst die Erklärung, dann die Emphase. Als ob „Love Is On Our Side“, dessen Studioversion eine Philippika des Reverend Jesse Jackson vorangestellt ist, einer Auslegung bedürfe, als ob die Polkas und Walzer, die Cumbias und Rancheras ohne Diskurs ihre Wirkung nicht entfalten könnten. Tishs Stimme klingt uncharakteristisch rauh, ihr Gesang gebremst. Bei Bedarf springt Marvin Dykhuis, ihr langjähriger Mitstreiter an Gitarre und Mandoline, in die Bresche. Oder Chip Dolan, dessen Akkordeon so sehr erfreut wie sein Keyboard-Geklimper verdrießt. Ein Abend mit Hindernissen, ein Engel auf Erden.

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