Tom Waits :: Real Gone

Es ist natürlich eine banale und traurige Feststellung, dass Tom Waits schon bessere Platten gemacht hat Und es ist kein Trost, dass er diesmal nicht ganz der Alte ist, aber leider auch kein gänzlich Neuer. Jawohl, es gibt diesmal gar kein Klavier bei 16 Stücken („Chick A Boom“ ist ein hidden track). Jawohl es gibt ein paar elektronische Sperenzchen, die meistens wie altertümliches Scratchen klingen. Waits ist ein paar Schritte gegangen, doch nicht weit genug. Während das fehlt, was man stets geliebt hat (die Melancholie, das Balladeske, die Walzer, Polkas, Tangos und Musette-Melodien), bleibt viel von dem, was sonst geduldetes Zwischenspiel war (das Gerumpel, der Krach, das Zerscherbte). Aber natürlich gehört bei Waits beides zusammen: der große Krawall und das große GefühL Es beginnt auch gewaltig: mit dem tautologischen Raunzen und Knarzen von „Top Of The Hill“ und dem brutalen, perkussiven, von Marc Ribots Gitarre durchschossenen „Holst That Rag“, das einen einzigen, allerdings unwiderstehlichen Lick bemüht „Sins Of My Father“ ist ein typischer, wenn auch sehr langer Waits-Song mit brillantem Percussion und Bass-Spiel. „Swordfishtrombones“, auf die Spitze getrieben. Doch allzu viel ist dann nur noch Krakeelen, Geklöppel, Zischen und Rumpeln. Larry Taylors Bass, Les Qaypools E-Bass, Brian Mantias Schlagzeug und Marc Ribots unnachahmlich lyrische Spielweise erinnern immer wieder an „Rain Dogs“, aber die Lieder zum Sound fehlen.

„Shake It“, „Don’t Go Into That Barn“, „Dead And Lovely“, das etwas anstrengende „Metropolitan Glide“ und das Rezitativ „Circus“ sind leider eher länglich oder lärmig, dräuend oder wirr als eindrucksvoll. Die Stimme hat Waits auf ein nicht vollkommen überraschendes Gemisch aus räudigem Wolf, Triebtäter und Teufel gestellt. An den Turntables steht übrigens ein gewisser Casey Xavier Waits. Der gezupfte Blues „How Is It Gonna End“, das zwar kaputt, aber doch fast gesungene „Trampled Rose“ und das gebrummte, wunderbare „Green Grass“ sind immerhin noch einmal wunde, gewisperte Waits-Stücke, wie wir sie kannten. Der abschließende, zur akustischen Gitarre geraspelte Brief eines jungen Soldaten, „The Day After Tomorrow“, ist leider Kitsch neben früheren Rollenprosa-Stücken wie „Shore Leave“, Johnsburg, Illinois“ und „Swordfishtrombones“.

Bisher galten Waits‘ Alben (zum Glück!) als „schwer zugänglich“, was ihren Erfolg zuletzt nicht verhinderte. Diesmal ist der schwere Zugang eine Untertreibung. Eher schon ist „Real Gone“ eine verkable Zumutung. Immerhin können Schnösel hier nicht ihren Phantomweltschmerz zum Glas Rotwein am Kamin kultivieren. Und bitte nicht sagen, dies sei Waits‘ Form des Hip-Hop.

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