Tonträger im Februar :: Blonie – No Exit (Beyond/RCA)
Band-Reunions, die ans Gloria alter Glanzzeiten anknüpfen oder wenigstens das ursprünglich erreichte kreative Niveau halten konnten, lassen sich bequem an einer Hand abzählen: The Beau Brummels, Kaleidoscope, Television. Die meisten gingen böse in die Hose: The Stranglers, Specials, Madness. Und dann gab es ein paar Reunions, die niemand so recht wehtaten, die andererseits aber auch keinen vom Schemel rissen: The Byrds, Velvet Underground, Sex Pistols. Überflüssig, aber okay. In diese Kategorie fallt die Wiederkunft von Blondie, einst für fünf lange Jahre die beste Popgruppe des Planeten.
Das liegt indes immerhin schon zwei Dekaden zurück, eine halbe Ewigkeit in den Ruckzuck-Zeiteinheiten des Musikgewerbes. Drei Dinge vor allem sprechen für New brks schärfsten Pop-Export. Erstens: Blondie haben sich musikalisch nie etwas zuschulden kommen lassen, sieht man einmal von einigen wenigen ekligen Remix-Scheiben ab. Selbst die lauesten Dauerlutscher-Hits wie „The Tide Is High“ oder „Heart Of Glass“ hatten noch ein Mindestmaß an Klasse. Blondie waren Abba, aber mit Sex und Stil. Zweitens: Als Chris Stein Mitte der 80er Jahre zum Pflegefall wurde, war Debbie Harry für ihn da. Hängte die Karriere an den Nagel. Beileibe keine Selbstverständlichkeit, leider. Maximum respect. Und schließlich: Nichts an dieser Reunion wirkt verkrampft oder gar verzweifelt Und: Das Personal ist intakt, nur periphere Figuren fehlen. Clem Burke trommelt so präzise wie immer. Jimmy Destri hat sich Tonträger IM FEBRUAR
seinen Hang zum Tastendrama bewahrt, Chris Stein schreibt höllisch eingängige Nummern, und Debbie hat sich, die Live-Gigs Ende ’98 haben das bewiesen, verdammt gut gehalten, stimmlich wie in Sachen Sex-AppeaL Der ging bei ihr ohnehin eher von den Augen aus, von den Wangenknochen und von diesem verlockenden Mund, vom Gesicht also, nicht so sehr von der Figur (weshalb Madonnas künftige Probleme quasi programmiert sind).
Und so ist „iVio Exit“ ein durchaus respektables Album geworden, frei von Peinlichkeit, freilich auch arm an genuinen Höhepunkten. Zu diesen zählt das stimmungsvoll gruselige „Boom Boom In The Zoom Zoom Room“, die hübsch galoppierende Western-Saga „Under The Gun“, die Blondie ihrem alten Kumpel Jeffrey Lee Pierce gewidmet haben. Richtig flott und keine Meile entfernt von alten Gassenhauern wie „Union City Blue“ oder „Presence Dear“ ist auch „Nothing Is Real But The Girl“. „The Dream’s Lost On Me“ wird von einem irisch anmutenden Folk-Tune ins Ziel getragen, und auch „Out In The Streets“ paart die melodische Reife früher Blondie-Hits mit ewigen Wahrheiten: „Money goes to money.“
Was Blondie vermissen lassen, ist jener Faktor Punk, der ihre erste LP 1976 so aufregend und, ja doch, gefährlich gemacht hatte. Efeil er ein konstitutives Moment war für die musikalische Revolte der folgenden Monate. Und weil der Widerspruch zwischen Punk-Attitüde und Ohrwurm-Melodien Spannung erzeugte, die auch ein Produzent wie der Power-Pop-feteran Richard Gottehrer nicht ganz entschärfen konnte oder wollte. Kein Wunder also, daß unzweifelhaftes Highlight der letztjährigen Blondie-Gigs „Sex Offender“ war, ihre allererste Single, die damals auf Betreiben der Plattenfirma als „X Oflender“ veröffentlicht wurde. Schnell und sinnlich, kein Gramm Fett zuviel. Und Debbie aufgekratzt wie ein Girlie beim allerersten Date. Selbst Jimmy Destri, sonst gern mit zehn Fingern am eifrigen Zukleistern jedweder Soundlücken, schoß Zwei-Finger-Farfisa-Blitze ab. Brilliantl „Rock’n’Roll is the name of their game“, stand auf dem Back-Cover von d$londie a zu lesen. Auf J^o Exit“ ist nichts, was ein solches Credo verdiente.
Vieles ist einfach überladen („Maria“), seifig („Double Take“) oder verplätschert im Nirgendwo („Night Wind Sent“). Das Orgel-Intro zum Titelsong ist klischierter Kitsch, der Ska-Pop von „Screaming Skin“ allzu hölzern und holzschnittartig. Der schwächste Track aber ist Disco-Pomp von der halbseidenen Sorte. Giorgio Moroder und sein dußliger BlubberBeat lassen grüßen. Und die glaubten wir doch nun wirklich ad acta gelegt zu haben. Eine Plastik-orgiastische Fummeltrinen-Kalamität „Forgive And Forget“ heißt flehentlich die Zumutung. Na schön. Weil’s Blondie sind. 3,0