Tonträger :: im Januar

Welcher Titel könnte treffender sein, welcher Witz tödlicher, welche Ironie wahrhaftiger? Zu Shaun Ryder fallt jedem eine Anekdote ein, und wenn man sie irgendwo gelesen oder gehört hat – alle kennen Ryder, sein Leben ist öffentlich, sein Drogenkonsum Legende, seine Exzesse sind Legion. Mit den Happy Mondays war er 1990 der Größte, danach war auch schon Schluß. Doch Ryders Rave endet niemals. Er kehrte zurück, nun mit Black Grape im Rücken und dem Album „It’s Great To Be Straight… Yeahl“, einer Platte, an der das Beste erwartungsgemäß der Titel war. Die Briten wurden irre daran.

Auch „Stupid, Stupid, Stupid“ ist nicht ganz so gut wie der Titel, aber doch ziemlich gut. Denn der hypnotische Rumba-Sound von Ryders Multikulti-Ensemble mischt wie ehedem entfesselten Afro-Reggae-Rhythmus mit Farfisa-Orgel und Gitarren-Trash, redundant, monoton und dümmlich. Der HipHop des weißen Mannes! Und der weißen Frau, wie man bei Konzerten in Britannien erleben kann. Was da getanzt und gekifit wird! Wie wenig Kleidung die Frauen oft tragen! Wie naiv das alles ist!

Zu naiv für den Deutschen, der nun wirklich nicht versteht, warum Reggae, Rock, Disco und Fußball miteinander zu tun haben sollen. Ein Mordsspaß ist es jedenfalls, ein Heidenradau, eine veritable Tanzmusik. Shaun Ryder, der stoische Knallkopf und Junkie und Randalierer, bürgt für eine spezifisch briTonTRäGeR

IM JANUAR

tische Form der Unzurechnungsfähigkeit Eine halbe Million Exemplare von „Straight“ wurden in England verkauft; das dort längst veröffentlichte „Stupid“ läuft nicht mehr ganz so geschmiert. Und Obacht: In Deutschland beginnt der Spaß erst im Februar.

Ryder fungiert einerseits als der Mann, der überall Pub-Verbot hat und bei jeder Gelegenheit nölt und pöbelt. Andererseits steht er überraschend aufgeräumt auf der Bühne, trägt einen Regen-Anorak und tappt unter geringstem Kraftaufwand mit dem Mikrophon herum, während die Band neben und hinter ihm eine ganz andere Show aufführt. Jedenfalls ist Ryder der Mann, der die ethnischen und mentalen Unterschiede in der Rave-Bevölkerung zwar nicht einebnet, aber immerhin angleicht. Was nicht heißt, daß die schwarze Gemeinde einen größeren Teil des Publikums ausmachte. Oder das weiße Proletariat. Es ist doch eher die vergnügungssüchtige weiße Mittelschicht, die sich hier verlustiert und spiegelt, sorted out for E’sandwhizz.

Es ist zwar great, straight zu sein – das Gegenteil ist im Grunde aber noch viel besser. Und so gibt „Get Higher“ das Motto im Black Grape-Universum an: Es geht geht noch höher, geht noch blöder. Mit Textlein wie „Dancing in the moonlight, caught you in the Spotlight“ hat Ryder natürlich keine Probleme. Die Lyrik ist immer nahe dem Delirium tremens, das kennt man von den Happy Mondays. Sinnfrei klingt es halt am schönsten. So kann man Black Grape auch als Rock’n’Roll-Parodisten verstehen, die allerdings eher wie ein Soundsystem ohne Discjockey funktionieren. Am Ende des Albums steht mit „Words* so etwas wie eine Gesamt-Rave-Symphonie, die ein Jahrzehnt Party symbolisch zusammenfaßt Und Shaun Ryder posiert mit einem schwarzen Kollegen („Kermit“?) als „Men In Black Grape“.

Niemand beschwere sich über den Mann. Ohne das Chaos des Satyrs gäbe es viele der lustigen Geschichten nicht, die längst zum festen Anekdoten-Repertoire der britischen Popmusik gehören.

Doof, aber cool… yeah. 3,5

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates