Tori Amos – The Original Bootlegs
Was Pearl Jam können, kann Tori Amos schon lang. Damit man keine grottigen Bootlegs von guten Gigs kaufen muß, bietet sie jetzt gleich selbst professionelle Aufnahmen an, gebündelt im hübschen Pappschuber. Sechs Doppel-Alben von Konzerten in Amerika und England, aufgezeichnet zwischen April und August 2005.
Freilich interessiert nur Hardcore-Fans noch die sechste Version von „Original Sinsuality“ oder „The Beekeeper“, so schön die neuen Songs sind. Lohnend sind die Alben, weil sich die Setlist bei Amos täglich ändert, sogar „Silent All These Years“ noch nicht abgegriffen klingt, weil sie sich immer wieder anders an die Stücke heranpirscht und dazwischen noch launige Ansagen macht. Vor allem aber wagt sie sich an die komischsten Covers, also hören wir da genauer hin.
In Chicago geht es noch eher verhalten los, „Martini glasses up!“ fordert Amos und spielt eine – für ihre Verhätnisse – eher zurückhaltende Version von Jim Croces „Operator“, danach Joni Mitchells „Circle Game“. In Denver entschuldigt sie sich vorab für „I Ran“ von A Flock Of Seagulls, das dann doch recht niedlich klingt, wenngleich es Amos selbst offensichtlich weniger berührt als Leonard Cohens „Suzanne“, das sie in die Länge zieht und dehnt, bis es einem fast weh tut.
Man merkt, daß ihr manche Stücke bei aller Liebe fremd bleiben. „Livin On A Prayer hat keine Dynamik mehr, aber leider auch sonst nichts. Bei Bonjovi kam es ja immer auf die Wucht an, und wenn die (ebenso wie das „whoa-whoa“) fehlt, ist nicht viel übrig. In LA gibt es außerdem „All Through The Night“ hübsch, nicht mehr.
In London geht es wilder zu: George Michaels „Father Figure“ bleibt der Sex erhalten, er verwandelt sich nur vom Machohaften ins Erotische, während Madonnas“Like A Prayer“ plötzlich fast naiv kling. Lloyd Coles „Rattlesnakes“ braucht sie nicht viel hinzuzufügen – das Sujet liegt ihr natürlich: Frauen mit Kanonen, ungeborene Kinder, Simone de Beauvoir. Richtig lustig wird es in Manchester. Da erklärt Arnos erst mal, warum sie keinen Morrisssey-Song spielen will (er war mal ganz gemein zu ihr), also singt sie „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis – fulminant, mit einer Kraft, die sogar Noel gefallen könnte, bis sie wieder überkippt und die typischen Tori-Kiekser macht. „You ain’t never gonna burn my heart out… Morrissey!“
Zum Abschluß Boston, Amos ist da schon monatelang auf Tour, man hört es. „Angie“ ist schrecklich, es rührt einen kein bißchen, aber Jim Steinmans „Total Eclipse Of The Heart“ wird ohne Bonnie Tylers Gekratze immerhin zu einem passablen Rührstück. Beeindruckend auch, wie sie sich Aerosmiths „Dream On“ einverleibt – diese Frau hat eben keine Angst. Vor nichts.
Insgesamt eine spannende Sammlung. Anhören wird man sie eher selten.