Udo Lindenberg :: Zeitmaschine

Wohin bringt den Reisenden die Zeitmaschine? Seit 30 Jahren strampelt Udo „Das schwarze Loch“ Lindenberg auf der Stelle, labert Liebeslieder, verbittet sich Panik, betreibt die Flexibelbetriebe, sieht die Grünen

Männchen landen, läßt die Schalmei erklingen, haut den Glatzen auf die Tatzen: 30 Jahre Dummgeschwätz, Anbiederei und Verantwortungsgetue, und jedes Jahr eine neue Platte. Kaum sind die sämigen Etüden mit dem Babelsberger Filmorchester gnädig vergangen, kehrt Udo zurück mit dem Babelsberger Filmorchester.

Und mit Anete Humpe, Bob Marley und H.G. Wells. Der schrieb einst „Die Zeitmaschine“, die hier natürlich wichtigtuerisch zitiert wird, doch daß Udo in seiner Künstlersuite im Hotel Atlantic diesen Schmöker gelesen haben könnte, ist eine unwahrscheinliche Annahme. Denn im Atlantic verkückert er meistens an der Bar minderbegabten Blondinen die Weltläufte und nestelt an seinen weißen Handschuhen, als hätte sein Knall schon das Kaliber von Michael Jackson erreicht Lindenbergs Zeitmaschine funktioniert auf besondere Weise: Sie bringt die Zeit zum absoluten Stillstand.

Der Mann mit dem Hut bleibt auf Kurs, der Hau ist Masche. Udo ist diesmal der „König von Scheißegalien“, und als solcher darf er folgendes singen: „Auf n Job, da machste dich reichlich krumm/ Und da kommt dir so’n Oberyuppie/ Auch noch reichlich dumm.“ Man sieht ihn förmlich beim Schuften! In seiner Scheißmaschine braust Udo direkt ins Vokabular der 80er Jahre.

Oder gleich zu Brecht, dessen Lyrik ihm vermutlich eine Verehrerin ans Herz gelegt hat oder der Udo adorierende NDR-Fex Horst Königstein, der auch bei „Zeitmaschine“ produzierend, also lobend eingriff. Udo wurde fündig bei „Verführung von Engeln“, einem Poem, das ihm thematisch nahe ist: „Doch schau ihm nicht/ Beim Ficken ins Gesicht/ Seine Flügel, seine Flügel/ Mensch, zerdrück sie nicht.“ Das ist so schlecht gedichtet – ich dachte, es sei von Lindenberg. Ist aber Brecht. Und es sülzen dazu die bewährten Babelsberger.

Außerdem half diesmal die Produzentin Anete Humpe mit modernistischem Blubber-Sound; deren bescheuerter Ideal-Song „Sex in der Wüste“ wartete geradezu auf Udos Interpretation. Bob Marley kann sich nicht wehren, wenn in seinem „Ybu Can’t Run Away“ überraschend das „Raumschiff Erde gesteuert wird von ein paar irren Kamikaze-Piloten/ Vergeblich all die Dichter und Philosophen“. So wollen wir Dich hören, Udo! Es loopt und rastat Humpes Zeitmaschine, die Kontakt aufnimmt mit den Sounds der Gegenwart, während Udo nur noch den Schnee rieseln hört.

Das Reich des Königs von Scheißegalien komme/ Jetzt und in Ewigkeit. 1,0

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