Van Halen :: A Different Kind Of Truth
Vor 28 Jahren haben sie zuletzt ein Album zusammen veröffentlicht (natürlich ohne Wolfie, der erst 1991 geboren wurde). „1984“ ist sehr lange her, doch der Grund, warum erwachsene Männer (zumindest die vielen, die als Teenager Rockstar-Träume hatten) immer noch feuchte Augen bekommen, wenn sie die Worte „Van Halen“ hören, liegt noch viel weiter zurück – ungefähr bei Eddies „Eruption“-Solo von 1978. Damals konnten Van Halen nichts falsch machen: Sie hatten den größten Gitarristen, die größten Rocksongs, die größten Klappen auch. Jahrzehntelang waren die Querelen zwischen dem (Ex-)Sänger und dem Rest der Band Stoff für Legenden. Mitte der 90er-Jahre scheiterte eine Wiedervereinigung, weil es gleich beim ersten Auftritt wieder Streit gab; nach der Versöhnung 2007 musste Eddie erst mal in die Entzugsklinik. Aber jetzt!
„A Different Kind Of Truth“ beginnt mit der Single „Tattoo“, die genauso neu ist, wie sie klingt: Sie basiert auf dem Song „Down In Flames“ von 1977. Doch die Freude, David Lee Roth mal wieder etwas Eigenes, Originelles singen zu hören, wischt erst mal alle Zweifel weg. Der Chorus ist stumpf, aber wie Roth die Zeilen kaut und croont, aufbläst und wieder einfängt, das hat immer noch eine Art. Von einer Band, deren Hits „Ain’t Talkin‘ ‚Bout Love“ und „Hot For Teacher“ hießen, darf man natürlich nicht plötzlich philosophische Betrachtungen erwarten. Klassische Rockmusik reicht, und da lassen sich Van Halen nicht lumpen.
Auch „She’s The Woman“ ist ein ausgegrabenes Demo von 1976, danach geht es aber aktueller weiter. Nicht immer ist dann der Song oder die Melodie das Wichtigste, sondern die Frage, wie viele Riffs Eddie van Halen wohl unterbringen kann. „Chinatown“ versinkt fast zwischen dem – freilich immer noch erstaunlichen – Gegniedel. Zum Glück lässt sich ein Typ wie Roth nicht so leicht unterkriegen, er schmettert unverdrossen gegen den Gegner an. Und wie er das macht! Als wäre die Zeit spurlos an ihm vorbeigegangen (oder die Studiotechnik so viel besser geworden). Nun kommt ihm wieder zugute, dass er ja noch nie wirklich singen konnte und sich immer lieber als Entertainer sah. Er kann Quatsch wie „Stay Frosty“ mit Würde über die Runden bringen, aber auch sein Talent als Geschichtenerzähler auspacken – ob im treibenden „As Is“ oder im allzu wahren „The Trouble With Never“. Und wenn sie sich auf der Amerika-Tournee nicht schon wieder zerstreiten, kommen sie vielleicht sogar nach Deutschland. Ring frei! (Universal)