Warren Zevon – Preludes

Auch in den frühen Siebzigern war es selten, dass sich ein Musiker nach missglückten ersten Aufnahmen (und die schon 1969) viele Jahre auf sein Debüt-Album vorbereiten konnte. Warren Zevon hatte etwa sieben Jahre die Gelegenheit, bei Auftritten an seinen Songs zu arbeiten. Insofern ist es wenig verblüffend, dass viele Versionen der Songs von „Warren Zevon“ aufbewahrt wurden – die hier erstmals veröffentlicht werden. Immerhin die Hälfte dieser Sammlung kennt man nicht von den Alben. Und mindestens die Fassung von „Accidentally Like A Martyr“ übertrifft die spätere Platten-Version.

Man wird bei den am Piano verfertigten Stücken wie „Tule’s Blues“ selten einen anderen Zevon ausmachen als den kehligen, manchmal bollernden Sänger mit prankenhaftem Zugriff auf die Klaviatur. Wenn er seinem Freund und Förderer Jackson Browne näher scheint, dann doch nur in der Vortragsweise am Klavier. „The French Inhaler“ singt er tief stimmig und inbrünstig zur akustischen Gitarre wie Gordon Lightfoot, ein Mann, dessen Naturgefühl und Optimismus er nicht teilte. „Werewolves Of London“ ist hier in einer Spieldosen-Version enthalten, „Draw blood!“ ist als – allerdings blutleerer – Ruf schon integriert. Wunderbar: „Going All The Way“, eine romantische Ballade im Jimmy-Webb-Stil mit Procol Harum-Orgel und Gilbert O’Sullivan-Gesang. Zevon muss sich diesen Kitsch zugunsten seiner patentierten Selbstbezichtigungs-Liebeslieder verboten haben. „Poor Poor Pitiful Me“ scheppert auch in der losen Urf assung mit reichlich Chorgesang. „Studebaker“ klingt wie eine Vorstudie für Bob Segers „Against The Wind“.

„Desperados Under The Eaves“, eine der frühesten und schönsten Zevon-Balladen (für die Carl Wilson schließlich die Gesangs-Harmonien arrangierte), beschließt dieses kleine Konvolut mit Skizzen – und ist auch hier eine triumphale Apotheose des Renegatentums.

Gern würde man mehr hören, aus den späteren Jahren. Wie alle wesentlichen Songschreiber in Los Angeles arbeitete Zevon lange mit Musikern der Eagles, von Toto und Fleetwood Mac, teilte sich die Session-Profis mit Jackson Browne, Randy Newman, Gene Clark, David Crosby. Den Westcoast-Sound der Siebziger hört man bei „I Used To Ride So High“, fast schon ein Hymnus in der Art von Crosby, Stills, Nash & Young. Doch Zevons Kunst lag nicht im Beschwören der Vergangenheit, die gerade erst vorbei war, und nicht in der tröstlichen Good-old-boys-Country-Lyrik von „Stop Rainin‘ Lord“. Wie Newman hätte er beliebter sein können, wenn er Hinweise auf Mord, Suff, Inzest, Korruption, Drogenkonsum, Einsamkeit, Gottlosigkeit, Ehebruch, Paranoia, Krieg und Wahnsinn vermieden hätte.

Aber dann hätte das alles ja keinen Spaß gemacht – und den manisch-depressiven Obsessions-Junkie Zevon hätte es nie gegeben.

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