Weltmusik von Steve Lake
Während ethnische Konflikte rund um den Globus an Intensität zunehmen und im Namen religiöser und territorialer Auseinandersetzungen jede Woche neue Scheiterhaufen entzündet werden, wird der Chor musikalischer „One World“-Utopisten immer lauter. Was die Frage aufwirft: Warum sollten wir musikalisch einer Meinung sein, wenn wir uns sonst auf nichts einigen können? Die Deejays im „Mambo Inn“ im Londoner Stadtteil Brixton haben dieses Problem durch Erfindung des „World Jazz Jive“ gelöst, und „Big Noise“ (Hannibal HNCD 1382/Rykodisc 3,) enthält einige Beispiele für das, was unter dem Motto „Eine moderne, offene, künstlerische Vision, die weder musikalische Kategorien noch Grenzen akzeptiert“ auf ihren Plattentellern rotiert. Leider steckt hinter den wohlklingenden Worten eine ganz einfache Philosophie: Man kann unter alles einen harten Groove legen, ob NUSRAT FATEH ALI KHAN, RAMSEY LEWIS oder algerischer Rai. Auf diese Weise wird zum Beispiel Nusrat, die ekstatische Stimme islamischer Mystik, einem Remix unterzogen, bei dem fast alles, was seine Musik so einzigartig macht, in einem Brei aus synthetischem Baß, Keyboards, Bläsern und einem bißchen Disco-Percussion untergeht. Eine traurige Angelegenheit Beim afrikanischen Pop sieht es etwas besser aus: „Angelina“ von der ghanaischen Band Sweet Talks besticht durch die coole, rauchige Stimme von A.B. Crentsil. Auch Kanda Bongo Mans „Zing Zong“ mit den im Hintergrund hypnotisch synkopierenden elektrischen Gitarren (alle Höhen bis zum Anschlag aufgedreht) hat durchaus Charme. Und Airto Moreiras „Samba de Flora “ ist eines der besseren Stücke des brasilianischen Percussionisten, angetrieben von virtuosem Conga-Spiel, während Hammond-Orgler Jimmy McGrifls Version von Sly Stones „You’re The One“ zwar eine nette Geste ist, aber längst nicht so viel Pfeffer hat wie das Original.
Unter den Fiedlern und Akkordeonspielern in den Sümpfen Louisianas wird man wohl kaum einen finden, der sich selbst als „Weltmusiker“ versteht. Die meisten von ihnen – ob schwarzer Zydeco- oder weißer Cajun-Spieler – sind immer noch „Dorfmusikanten“, und das in Gegenden, in die MTV noch nicht vorgedrungen ist. Einer der Vorzüge von Trikonts ausgezeichneter „Swamp Music“Sene (Nummer 6 bis 9 sind jetzt erhältlich) besteht darin, daß sie deutlich macht, wie wenig sich diese Musik in den letzten 100 Jahren geändert hat.
„Prends Donc Courage“ (Trikont US-0202, 4,5 ) enthält Tracks der ersten (weißen) Sängerin und Gitarristin CLEOMA FAL-CON und des (schwarzen) Geigers AMEDEE ARDOIN aus den späten 20er und frühen 30er Jahren. Falcon verdient Erwähnung als erste weibliche Vertreterin dieser Musik, während Ardoin sie entscheidend geprägt hat – seine Melodien werden immer noch gespielt, und Urenkel Chris Ardoin, der sich auf „Young Zydeco Desperadoes“ zu Wort meldet, setzt die Familientradition fort. Stars dieses Albums sind jedoch die Sam Brothers Five – die Jacksons des Zydeco, wenn man so will -, die mit einer Blues-getränkten Version von Clifton Cheniers „I’m Coming Home“ glänzen. (Von den Sam Brothers gibt es auch auf Arhoolie gute Sachen zu hören.) Die Beiträge der Sänger/Akkordeonisten BOO ZOO CHAVIS und JOHN DELAFOSE waren Highlights auf Volume 3; auf „Legends Of Zydeco“ dürfen sie sich jetzt ein ganzes Album teilen – zwei alte Schlitzohren, deren Songs vor Persönlichkeit und Whisky-Dunst nur so strotzen.
Auf „New Trail Riders“ (US-O2O5, 4,0 ) schließlich kommt die „progressive“ Cajun-Spielart zu Ehren. Die Gruppe MAMOU macht sich mit „Ugly Day Stomp“ einen augenzwinkernd bösen und ein bißchen psychedelischen Spaß, und in „Tit Galop Pour Mamou“ tritt der aus San Francisco stammende Violinist Le Rue als Star-Solist in Erscheinung.