Wendy Rene :: Complete Stax And Volt Singles 1964-65

Eine Entdeckung: Aufnahmen der fast vergessenen Sängerin

Der Name Wendy Rene ist wohl den wenigsten geläufig. Auch die Tatsache, dass während der 90er-Jahre der Wu-Tang Clan Samples aus einer ihrer alten Stax-Singles für eine neue Aufnahme verwendete, führte nicht dazu, dass sich Legenden um sie zu ranken begonnen hätten. Ihr Name tauchte unter denen der überwiegend unbekannten Soul-Sängerinnen auf, die Ace Records 2003 unter dem Titel „You Thrill My Soul“ auf einer CD versammelt hatte. In der Folgezeit fanden ihre Singles verschiedentlich Verwendung in Film-Soundtracks (u. a. „Gegen die Wand“), und von einer ließ sich Alicia Keys 2007 ganz besonders nachhaltig zu „Where Do We Go From Here“ inspirieren.

Deswegen kam bei der Firma trotzdem niemand auf die Idee, dass man im eigenen Archiv vielleicht noch ein paar Schätze heben könnte. Lieber weiter das Vermächtnis der großen Stax-Ära mit all den namhaften Soul-Legenden zu verwalten, war wohl allemal lukrativer und unproblematischer.

1963 war man bei Stax noch der Auffassung gewesen, dass Mary Frierson und ihr Bruder Johnny während der Jahre in der Church of God in Christ in Memphis so beachtliches Sangestalent entwickelt hatten, dass man sie und ihre Band – die Drapels, mit zwei blutjungen Kollegen ein Quartett – als Background-Sänger (für Rufus und Carla Thomas, auch für Otis Redding) und für eigene Aufnahmen ins Studio bat. Auf das einiges prägnantere Künstler-Pseudonym Wendy Rene soll damals Otis Redding gekommen sein. Selbstverständlich wurden die Neulinge bei Stax auch damals nur von den hauseigenen Session-Cracks wie Booker T & The MGs begleitet. Deren Gitarrist Steve Cropper war Solist bei und Autor von „Bar-B-Q“, einem „Shake“ nicht ganz unähnlichen tanzbaren Vergnügen, bei dem profunderer Text nur gestört hätte. Was die 17-Jährige vortrug, hatte bisweilen mehr mit Shirelles und Goffin/King-Popklassik denn mit der Soul Music gemeinsam, für die Stax/Volt berühmt wurde. Die Behauptung, dass manche der Aufnahmen die frühen Jackson Five vorwegnahmen, ist so abwegig nicht.

So richtig in ihrem Element war Wendy aber doch bei den melancholischeren Balladen wie „Crying All By Myself“ und dem drei Jahre nach „Will You Still Love Me Tomorrow“ kollektiv komponierten „What Will Tomorrow Bring“. Wer sich davon überzeugen möchte, dass sie mit so viel Talent gesegnet war wie die junge Aretha Franklin, sollte sich hier als Erstes ihre Coverversion von „Reap What You Sow“ anhören: große Soul Music mit viel Gospel-Überschwang, so grandios wie auch „After Laughter Comes Tears“, gesungen mit derselben Überdosis Gefühl.

Alles neu zu entdecken – und von Wendy Rene mit nicht nur ein wenig Wehmut in den Liner Notes kommentiert. Überlebt hat sie, weil sie ihren Mentor Otis Redding und die Bar-Kays, anders als geplant, im Dezember 1967 nicht auf dessen letztem Flug zu dem Konzert begleitete, das dann nie stattfand. Es war ein Entschluss in letzter Minute: Sie fand, dass sie besser bei ihrer kleinen Tochter daheim bleiben sollte. Und so geschah es. (Light In The Attic/Cargo)

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