White People – Handsome Boy Modeling School
Vorhang hoch, Abendunterhaltung. HipHop war am Anfang das CNN des schwarzen Amerikas, das wissen wir – mittlerweile ist er auch das ZDF der weißen Welt Gelockert, nicht so einschüchternd, für ein paar Lacher gut, demonstrativ offen für alles. Hinter der zweiten Platte der Handsome Boy Modeling School steht (noch mehr als bei den unglaublich beliebten Out-Kast) eine ähnliche Vorstellung von Komplett-Entertainment wie früher hinter den Shows von Blacky Fuchsberger oder der „Starparade“, als Fernsehen noch das sprichwörtliche Lagerfeuer für die Familie war.
Das Duo besteht aus Dan Nakamura – Dan The Automator, Mitglied der Gorillaz, hier und da Produzent – und Prince Paul, Produzent der besten De La Soul-Alben, Mitglied der Gravediggaz und so weiter. Beides keine Rapper, sondern Track-Macher und Sample-Auswähler, die von HipHop-Zigarren-Bossen geachtet werden, aber für MTV meist unbrauchbar sind. Die Hörspiel-Idee, die man heute auf vielen Rap-Platten findet, wird auf „White People“ noch weitergedreht: Als Conferencier improvisiert Gudio Sarducci von „Saturday Night Live“, der komische Tim Meadows lispelt zwischendrin über seine Ausbildung in der besagten Benimm-Schule – dort, wo in der Revue die Sketche kämen. Und die Musik, geschmackvoll, light, mit Klassik-Zitaten und Sechziger-Soundtrack-Flair, präsentiert nach und nach die Gäste. Die springen nicht als lustige Teufel aus der Büchse, sondern zeigen ihre Stärken.
Mike Patton, der Wurzelmann. Alex Kapranos von Franz Ferdinand, der sanft ausatmend singt. Die Schmalznocken John Oates von Hall & Oates und Jamie Cullum in einem jeder Beschreibung spottenden Duett, wie es nur so popkulturell beschlagene Produzenten zusammenbringen können. Geradezu sensationell sind der Auftritt von Cat Power Chan Marshall in „I’ve Been Thinking“, einem Soul-Stück mit aufgeschürften Knien, und „Class System“, ein verwunschener Hexenkampf zwischen Pharrell Williams und Juice Cruise. Mars Volta, Jack Johnson, Linkin Park, RZ A, De La Soul und viele weitere sind dabei, ein unsägliches Nebeneinander auf dem Papier, aber in diesem Fall behandelt der HipHop sie alle gleich, gleich gut.
(WARNER) Joachim Hentschel DVD von Arne Willander ¿ The White Stripes Under Blackpool Liqhts (Beggars) Man muss sehen, wie Meg und Jack in körnigem Rot, Weiß und Schwarz die Halle in Grund und Boden stampfen. Jack zerrt und notzüchtigt seine Gitarre und heult und gurgelt, während Meg auf ihrem Schemel anmutig den Beat klöppelt. Diese infernalische, grubenschwarze Musik aus unheimlichen Legenden und schmuddeligen Ecken ist natürlich kein Muster an Abwechslung, aber mehr Besessenheit und physische Präsenz gehen nicht. Es gibt nichts als die 26 Songs des Konzerts und den archaischen Blues des Duos auf dieser DVD, doch danach ist man sehr, sehr erschöpft. 4,0 ¿ Culture Club GreaiestHils (EMI) Für zwei Jahre hatte die Fummeltriene den Pop fest im Griff und derart viele Hits, dass man heute darüber staunt, wie damals überhaupt noch andere Stücke gespielt werden konnten. „Church Of The Poison Mind“, „Karma Chameleon“, „Do You Really Want To Hurt Me“, „Time“, „Victims“ und „It’s A Miracle“ waren tolle Songs, danach gingen bald die Lichter aus. Neben 17 Videos gibt es hier einen Konzert-Mitschnitt aus dem Hammersmith Odeon, Dezember 1983. 3,0 ¿ Peter Gabriel Play – The Videos (Warner) Sehr wahrscheinlich lieferte „Siedgehammer“ (und nicht „Thriller“) die charakeristischsten Video-Bilder der 80er Jahre, und überhaupt verstand es Peter Gabriel wie kein anderer, das Medium zu nutzen. Nur eine große Platte erschien damals, „So“, aber mit den Filmen war er weit voraus. Man sehe noch einmal „Mercy Street“, „Big Time“, „Red Rain“. „Father, Son“: Gabriel allein am Klavier, dazwischen Schwarzweiß-Aufnahmen von ihm und seinem Vater bei Turnübungen, vermutlich in den Achtigern, und mit dem gebrechlichen alten Mann beim Spazieren. Es ist fast ein Abgesang auf den britischen Großkünstler selbst, antiquiert in den Zeiten der Kopulations-Videos. Gabriel reichten als Metaphern für Sex noch Gemüse und Züge.
4,5 ¿ David Bowie A Reality Tour (Sony) David Bowie sieht sich selbst sehr gern auf dem Bildschirm – deshalb hat er ein Konzert seiner letzten Tournee filmen lassen. Kregel singt er ein Programm aus 30 Songs, beginnt mit „Rebel Rebel“, bringt einige Songs von „Heathen’und .Reality , „Loving The Alien , „Five Tears und „Under Pressure“ — eher entlegene Regionen des Repertoires also. Der straffe Berufsjugendliche geriert sich noch einmal als populistischer Rocker, der auf keine Publikums-Anmache verzichtet und gerne zum Mitklatschen auffordert. Er macht es selbst vor. „Bring Me The Disco King“ stört in diesem Ambiente: alles souverän, knackig und vollkommen geheimnislos. 3,0 ¿ Queen Live At The Bowl (EMI) Die Schüssel ist die von Milton Keynes, das Konzert vom 5. Juni 1982. Mercury gibt den Tambourmajor und sitzt mit nacktem Oberkörper am Pianoforte, Queen haben den Funk entdeckt, der bei ihnen wie Zement klingt, der hohle Bombast von „Flash“, „Action This Day“, „Staying Power“ und „Dragon Attack“ tost laut und leer, ein „Guitar Solo“ von Brian May wird als Song geführt, dafür sind Songs kaum zu erkennen. Interviews und „Tour highlights from Japan and Austria“. Dabei ist es doch ein einziger Höhepunkt. 2,0 ¿ ZDF Hitparade, Folge 3 (bmg>
Nun nimmt es kein Ende mehr: Die unheimliche Wiederbegegnung mit den kompletten 70er und frühen 80er Jahren wird als abgeschmackter so genannten Kult begriffen, dabei zeigt „Lustiges & Skurriles“ nur, über welche Peinlichkeiten auf betriebsfeier-Niveau man damals lachen sollte: Heck trinkt während der Sendung vorgeblich einen Stiefel Bier aus und mimt Lallen (es ist Karneval), der legendäre „TED“ funktioniert nicht, weshalbauf Postkarten zurückgegriffen wird, man hat zu viel Zeit oder zu wenig, Heck labert und labert. Musik von Nena, Paola, Trio, Christian Anders, Roberto Blanco, Vader Abraham usw. usf. 2,0 ¿ Roger Waters The Wall – Live In Berlin (Universal) Waters‘ Reichsparteitag auf dem Potsdamer Platz 1990: Gerade war die Mauer geschleift worden, da ließ er sie wieder aufbauen. Klaus Meine schreit, Garth Hudson schwenkt die Quetschkommode, Waters zupft selbstgefällig die Bassgitarre, Thomas Dolby gibt den Oberlehrer, Ute Lemper die Ehefrau, Marianne Faithful tritt als Mutter auf, Albert Finney als Richter. Dazu Bryan Adams, Jerry Hall, Cyndi Lauper und das Orchester der Sowjet-Armee – nur Klaus Wowereit fehlt. Lang. 2,0