Whole Lotta Plant

Aller Solo-Anfang ist für gewöhnlich schwer. Selbst Robbie Robertson oder Donald Fagen und John Fogerty versammelten solo nie mehr eine so große Fan-Gemeinde um sich wie zuvor. Den vielen exzellenten Page/Plant-Kompositionen zum Trotz nahm man den Led Zeppelin-Sänger eh nie primär als begnadeten Songschreiber wahr. Was auch ein Grund dafür gewesen sein mag, dass er sich mit seinem Erstling niemals so massiven Schimpf einhandelte wie ein Paul McCartney mit seinem Heimwerker-Debüt.

„Pictures At Eleven“ {1982, 3,5 ) knüpfte nur ausnahmsweise mit Aufnahmen wie „Slow Dancer“ an die most blueswailin‘ ’n‘ hardrockin‘-Tage von Led Zep an. Balladen wie „Moonlight In Samosa“ und „Like I‘ ve Never Been Gone“ gemahnten mehr an den Sänger von „Led Zeppelin III“, und letzteren Titel nahmen ihm die Fans vorbehaltlos ab: Top Ten war kein Problem. Die Intros zu mehreren Songs auf „The Principle of Moments“ (1983, 3,5 ) wiederum waren ganz klare Rückverweise auf seine Led Zeppelin-Jahre, nur dass sich dann alles im Verlauf in ganz andere musikalische Richtungen änderte – so als ob er beweisen wolle, wie weit er sich inzwischen emanzipiert habe. Mit der ganzen programmatischen „I’m through with the show-Attitüde von „In The Mood“, „Big Log“ oder besagtem „Thru‘ With The Two-Step“ fühlten sich alte Bewunderer des extrovertierten Eintänzers trotzdem nicht brüskiert.

Viele Jahre bevor Ace Records die definitive „Golden Age of American Rock ’n‘ Roll-Serie startete, feierte das Honeydrippers-Projekt („The Honeydrippers Volume One“, 1984, 3,0 ) die Schubidu-, Rockabilly-, Jump Blues-, DooWop- und Pop-Größen jener Jahre. „Sea Of Love“ in Plants Cover-Version wurde sogar ein Erfolg wie der gleichnamige Psycho-Thriller mit Ellen Barkin und Al Pacino. Egal was die Liner Notes erzählen: Auch für die mitwirkenden Jeff Beck und Jimmy Page dürfte die von Ahmet Ertegun betreute EP vor allem ein Stück Nostalgie gewesen sein. Mehr ein Intermezzo, denn dem folgte nie „Volume Two“ (es sei denn, man betrachtet „Dreamland“ als ein legitimes).

„Shaken ’n‘ Stirred“ {1985, 2,0) war der dritte Anlauf, sich neu zu erfinden. Als Joni Mitchell später auf die Idee verfiel, Gitarren durch Synthesizer-Sounds zu „veredeln“, klang das genauso wenig überzeugend wie hier. Anscheinend wollte da jemand abseits ausgelatschter Rock-Trampelpfade ganz auf der Höhe der neuen Zeit musizieren. Paul Martinez bewunderte hörbar Jaco Pastorius, und manchmal erinnert manches an Billy Paynes Keyboard-Marathons zu späteren Little Feat-Zeiten. Weil auch im Sound-Design stark der Zeit verhaftet, mutet gerade deswegen hier vieles anachronistisch an. Das ganze Elektronik-Blendwerk bot Plant auch nur wenig Gelegenheit, sich sängerisch zu profilieren und überzeugend in Szene zu setzen.

Ein paar Jahre Pause einzulegen, die komplette Mannschaft auszuwechseln und auch einen neuen Produzenten zu verpflichten, war die richtige Idee. Auf „Now And Zen“ {1988, 3,0 ) klingt „Tall Cool One“ mit der sofort identifizierbaren „been a long time since I rock ’n’rolled“-Gitarre des Kollegen Page ein wenig wie ein musikalischer Spaß von Godley/Creme aus lOcc-Tagen. Das Finale mit den Schnipseln von Led Zeppelin-Zitaten auch. „Billy’s Revenge“ und „White, Clean And Neat“ waren für ihn auch ein spätes Stück Vergangenheitsbewältigung, genauer gesagt Auseinandersetzung mit Idolen der 50er Jahre wie Gene Vincent und Johnny Ray, die ihn als Teenager mächtig beeindruckt hatten. In vieler Hinsicht war „Now And Zen“ dasjenige Album, das am intensivsten an seine Led Zeppelin-Vergangenheit anknüpfte. Umso mehr fiel die Ähnlichkeit zum Dire-Straits-Song „Brothers In Arms“ auf: Immer einer seiner Lieblingssongs, war es später auf der Bühne auch ein knapp elfminütiger Marathon, auf dem Box Set „Nine Lives“ in einer Bootleg-Fassung aus dem „Paradiso“ in Amsterdam zu hören.

Noch mehr Zucker gab er dem Affen bei „Manie Nirvana“ {1990, 3,5 ). Wer schon seit vielen Jahren frustriert auf ein neues Led Zep-Album gewartet hatte, bekam davon hier zumindest einen Abglanz, selbst wenn auch ein wenig formelhaft bei sich selber verpflichtet. Manche Songs hätten das optimale Material für eine Quiz-Show (Frage: Bei welcher Led Zeppelin-Vorlage hat er sich das geklaut?) geliefert. Trotzdem ein Album, das man gegen seine Verächter verteidigen muss, weil Plant hier wie nebenbei demonstriert, welchen Ausnahme-Rang er unter allen Hard-Rock-Sängern einnimmt und wie wenige ihm in seinem Fach jemals das Wasser reichen konnten.

Seit „Led Zeppelin III“ hatte er Folk-Ambitionen nicht immer so klar vorgezeigt wie bei „Fate of Nations“ (1993, 3,5 ) Aufnahmen wie „Come Into My Life“ hätten perfekt in den Kontext der besagten LP gepasst. Nicht nur hier oder bei „If I Were A Carpenter“, sondern auch bei den meisten anderen Aufnahmen war er ganz auf der Höhe seiner Sangeskunst. Rainer Ptacek und Richard Thompson erledigten ihre Aufgabe bei den Sessions gewohnt bravourös. Und richtig gut war Plant drauf im Duett mit seinem Gitarristen bei der Akustik-Version des Moby Grape-Klassikers „8:05“. Sage niemand, er hätte einen schlechten Geschmack, was gute Songs von Kollegen angeht.

Was er neun Jahre später auch mit den Cover-Versionen des Comeback-Albums „Dreamland“ {2003, 3,5 ) bewies. Den Drogenopfern Skip Spence, Jimi Hendrix und Tim Buckley galten hier seine besten Interpretationen. Mehr von Moby Grape findet man leider nur auf seiner Best of-Retrospektive „Sixty Six To Timbuktu“. Nur dass „Win My Train Fare Home“ viel Klau (bei „The End“ von den Doors und Francis Ford Coppolas Hubschrauber) ist, mag er wie in Led Zeppelin-Anfängen nicht eingestehen. So was gab „Mighty Rearranger“ (2005, 3,5 schon im Titel zu: Vom „Crawling Kingsnake“- bis zu vielen munter eingeflochtenen „Physical Graffiti“-Zitaten den Kenner raushängen lassend, offenbart Plant nonchalant, was er wohl auch ist: ein Narziss. (Rhino)

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