Wir sind Helden

Nicht das lustige, das nachdenkliche Lied ist Trumpf: Bei Wir sind Helden geht es jetzt ums Ganze.

Bring mich nach Hause

Junge deutsche Bands bekommen von A&Rs und Produzenten seit einigen Jahren immer denselben Hinweis: Sie sollten doch klingen wie Juli und Silbermond, dann gäbe es eine Chance. Wie-Juli-und-Silbermond, das ist ein geflügeltes Wort in der Branche geworden, eine Erfolgsformel, die ganz unterschiedlich verstanden wird. Nur so viel ist klar: Es geht um jene Mini-Revolution, die die deutsche Sprache in der aktuellen Popmusik wieder salonfähig machte. Doch die begann eben nicht mit Juli und Silbermond – sondern mit Wir sind Helden. Die hatten mit ihrer ersten Platte eine neue Neue Deutsche Welle angezettelt, waren frech, ungekünstelt und hatten schöne Melodien. Dass Wir sind Helden den Mut hatten, eine eigene Idee zu haben, muss man ihnen hoch anrechnen.

Seither hat sich die Band vom Haha zum Hmm verändert, so sagt sie es selbst. Nicht mehr das lustige, sondern das nachdenkliche Lied ist Trumpf. Schon beim Opener von „Bring mich nach Hause“ geht es ums Ganze, um Erlösung und uneingeschränkte Freiheit. Judith Holofernes singt von rigorosen Engeln, die böse werden, wenn man nicht endlich aufhört zu greinen, seine Krücken stehen lässt und sich aufrecht hinstellt – „Alles“ ist alles, ein sehr gutes, sehr reifes Lied mit sehr guter, sehr reifer Lyrik. „Was uns beiden gehört“, behandelt ebenfalls Ewiges, ist aber viel lebendiger, wie ein Volkslied vom Balkan. Wir sind Helden haben auf diesem Album eine Reihe akustischer Instrumente benutzt, Akkordeon, Oud, Banjo und Glockenspiel.

Im Titellied sehnt sich Holofernes nach Hause, das Bild ist spärlich beleuchtet, Streicher und Synthies eröffnen einen weiten Raum. „Die Ballade von Wolfgang und Brigitte“ ist eine Erzählung über eine Beziehung in der alternativen Szene der 70er-Jahre, freie Liebe, Batik und den Preis vermeintlicher Freiheit. Man kann das Lied amüsant finden oder tieftraurig, je nach eigener Erfahrung. Am Ende sitzt Wolfgang jedenfalls weinend im Bad.

„Die Träume anderer Leute“ hat ein dunkles Bass-Riff, die Helden klingen für einen Moment fast wie Arcade Fire, die ihre Lieder manchmal mit einer ähnlich feierlichen Dunkelheit arrangieren. Aber was ist „Meine Freundin liegt im Koma“? Holofernes singt allein zum Klavier über ein schlimmes Unglück, die Stimme bricht, das Ganze wirkt schmerzhaft real. Jedes dieser Lieder hat eine Geschichte, keines ist billig oder oberflächlich, weder inhaltlich noch musikalisch. Reife Helden. (Four)

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