World Leader Pretend – Punches
Zu Hause in New Orleans haben World Leader Pretend ein altes abbruchreifes Hotel zum Liederschreiben, Aufnehmen und Anderssein. Ganz weit weg ist man dort von der sonstigen Musik der Stadt, aber eben auch von den Moden der Metropolen, von LA und New York, von Nashville sowieso. Keith Ferguson, Parker Neil Hutchinson und Arthur Mintz haben hier eine ganz eigene Popmusik entwickelt, die wohl ans Moderne anknüpft, aber ansonsten momentan ihresgleichen nicht hat.
Dabei kommt einem der Tonfall von World Leader Pretend zunächst bekannt vor. Der gezügelt melancholische Songwriter-Rock ist nah bei Phantom Planet, die sehnende Inbrunst bei Vega 4, zumal Sänger Ferguson eine ganz ähnliche Stimme hat. Und den Bandnamen haben sie bei R.E.M. gefunden.
Doch auf dieses Fundament setzen WLP große Orchester-Arrangements, sleigh bells, silbrig scheinende Akustikgitarren, breite Pianoakkorde und ein groß hallendes 6os-Ambiente. Der Titeltrack ist modern gewendeter Stax mit gezähmten Fuzz-Gitarren und einem kleinen bißchen Paranoia unter der Oberfläche. Auch „The Masses“ spielt in den 60er Jahren, ist aber durch sein dramatisches Pianothema und den psychedelisch wummernden Mittelteil deutlich progressiver.
Überhaupt darf man nicht meinen, World Leader Pretend würden hier eine fahl grinsende Revue aufziehen. Vielmehr ist „Punches“ eine Platte mit enorm vielen Ideen und ausgesprochen eigenwilligen Arrangements, die dabei dank der teuer schimmernden Produktion doch so klingt, als könne sich ein großes Publikum interessieren.
Ein tolles Lied dann noch zum Schluß: „Tit For Tat“ kommt nach dem eben beschriebenen, gegen Ende geradezu orgiastischen „The Masses“. Plötzlich ist alles ganz klein, ein Glockenspiel klingelt unter süß summenden Gesängen, bis sich der Refrain mit wehenden Trommeln öffnet. Dieser Mut zur ungewöhnlichen Melodie! Vielleicht liegt’s am einsamen Hotel.