X-Tal – The Conqueror Norm :: RTD
Als X-Tal im Winter 1995/96 das vorliegende Album einspielten, wußte noch niemand, daß es ihr letztes sein würde. Zur Zeit der Aufnahmen befand sich die Band in einem kreativen Hoch, wagte gar den Schritt zur internen Demokratisierung: Wo früher J. Neo als charismatischer Bandleader im Vordergrund stand, sind diesmal auch die Songs der anderen Mitglieder gleichberechtigt vertreten.
Ein halbes Jahr später, fast zeitgleich mit der Veröffentlichung, gab die Band ihre bevorstehende Auflösung bekannt Drummer Mick Freeman will sich fortan mehr um sein Familienleben (zwei Söhne) kümmern. Bassistin Alison Moseley entschied, in den Stand der Ehe einzutreten, und zieht demnächst nach Münster, Germany. Der schwerste Schlag: Maati Stojanovich,J. Neos langjährige Muse, Co-Texterin und Lebensgefährtin, starb auf ungeklärte Weise während eines Methadon-Programms.
Die Platte nunmehr als Schwanengesang zu behandeln, ist zwar naheliegend, wird ihr aber nicht unbedingt gerecht Wäre dies ein ganz normales X-Tal-Album, so hätte die Band für die gut 70 Minuten Spielzeit mit 19 neuen Songs auch einige kritische Bemerkungen einstecken müssen: Bei dieser Materialfülle ist zwangsläufig nicht jeder Schuß ein Treffer. Ihr typischer, vertrauter Folk-Rock-Stil kommt selten zum Zuge. Über die gesamte Länge vermittelt das Album ein Gefühl der Zerrissenheit und es hält sich der Eindruck, mindestens vier verschiedenen Bands zuzuhören.
Da wir es nun aber mit einem Vermächtnis zu tun haben, ist „The Conqueror Worm“ doch eine kleine Verbeugung wert Was als interne Zerrissenheit gedeutet werden könnte, belegt immerhin, daß X-Tal als eine der langlebigsten Bands auch nach 15jähriger Geschichte über Ideenmangel nicht zu klagen hatten. Vier Songwriter-Stimmen mit denkbar unterschiedlichen Charakteren schaffen eine stilistische Bandbreite, an die vergleichbare Bands nicht heranreichen.
Daß mit zukünftigen Solo-Aktivitäten fest gerechnet werden kann, ist somit klar: „A Lemon Song“ zeigt J. Neos ungebeugt ätzenden, doch immer korrekten Sinn für Humor in bester Verfassung. Alison Moseley hat mir ihrem emotionalen Stil schon lange ihre Fans gefunden, und ein Gitarren-As wie Mark Zanandrea sollte sich vor Angeboten kaum retten können.
Trotz allem gibt es im Herbst, unterstützt von zwei Ex-Bedlam Rovers-Mitgliedern, noch eine Tournee. Dort wird sich der Titel ihrer besten Platte (von 1992) zum letzten Male bewahrheiten: „Everything Crash“.