Yin Yang von Christian Salvesen

„Planets, Rivers And… Ikea“ (Verve/Motor) nennt der norwegische Geheimtyp BENDIK HOFSETH seine elf Songs/Balladen, die ich hiermit zur musikalischen Sensation der Saison erkläre (natürlich nicht allgemeinverbindlich). Moderne Klassik mit Streichquartett, modern jazz mit Bossa und Sax (nicht nur) aus Garbareks Schule, Stimme und Typ Sting-haft, zwischen still und nervös, forschend, sensibel, Texte und Klangassoziationen zwingend, fühlende Intelligenz, souveräne Meisterung von Stilverbindungen, die die oft bemühte Kategorie „Crossover“ überquert wie den Rubicon. Beim ersten Stück mag der Entdeckungsreisende noch zögern, doch die Musik wird bald vertrauter, melodisch flüssiger, und bei der Reprise möchte er „Crossing the Rubicon“ und alles Weitere wieder neu entdecken. 4,0

Auf der anderen Seite: „Beyond The Mirrors“ (Prudence/Bell) von MARCATOR. Wer das Cover mag (Schneewittchens Stiefmutter vorm besagten Spiegel), wird vielleicht auch die Musik gern hören. Mir gefallen beide nicht. Da fand ich die erste Scheibe des norddeutschen New Instrumentalisten ehrlicher: „Eider-Suite“. Das hatte noch den frischen holsteinischen Duft. 1,5

Den Planeten in der Suppe: Drei Originalrezepte für exotischen Eintopf serviert der World-Music-Sampler „Planet Soup“ (ellipsis arts), wie gewohnt aufwendig als Buch mit drei CDs gestaltet „Man soll den Tag nach dem Abend loben“ lautet die frohe Botschaft von A wie Bandoneon-Meister Astor Piazolla oder der jüdisch-arabischen Folk-Band Bustan Abraham bis Z wie Yoghoub Zoroofchi, Tenor aus Aserbadjan. 4,0

Da ich gerade bei Samplern und beim Loben bin: „TALKIN‘ LOUDER“ (Talkin‘ Loud/Mercury) mischt zwar viel weniger Zutaten in die Suppe, dafür sind die Gewürze aber eine Spur schärfer, es stinkt schon beinah. „Soll es auch!“ meinen etwa Nicolette („No Government“) oder Urban Species, denen Terry Callier im beiläufigen Singsang erzählt, warum ihn die unselige Kombination von „religion and politics“ total abtörnt. 3,5

Dagegen wirkt der Gesang der beiden zartgeschminkten Schönen aus Ecuatorial Guinea wie Ananas mit Sahne. SIBEBA bringen auf „Hijas Del Sol“ (Intuition) natürlich Original-Folklore, doch irgendwie drängt sich mir der Vergleich „bulgarische Stimmen, karibisches Feeling“ auf. 3,0

„Once upon a time, at the beginning of earth, all was one continent. Its name: Pangea“, erzählt Dan Lacksman, der mit seinen beiden „Deep Forest“ Platten bisher gold-und platinrichtig lag. „Pangea“ (eastwest, Warner) schlägt in dieselbe Kerbe. Diesmal kommen die Stimmen aus Afrika. Abgesehen von einigen Stücken wie „Kiranga Beat“ führt die Musik jedoch nicht so sehr zu den Quellen von Jazz und Pop wie die Pressemitteilung suggeriert -, sondern liefert eher einen melodiösen Entspannungs-Background. Das liegt nicht nur an der gefälligen Synthesizer-Untermalung und dem typischen Beat, der bereits den Gesängen von Indianern, katholischen Mönchen oder tibetischen Lamas den Sprung in die Charts ermöglichte; es hat auch mit der angezapften Quelle zu tun. Zwischen der Pygmäen-Musik aus den afrikanischen Regenwäldern und dem schwarzen Blues und Jazz Nordamerikas gibt es musikgeschichtlich keine Verbindung. Dieser eigentümlichjodelnde Gesang ist also für unsere Ohren musikalisches Neuland, das allerdings bereits in verschiedenen Aufnahmen authentischer zu hören ist (zum Beispiel auf den Baka Forest-Alben vom Ryko-Label oder auf der Pygmäen-CD mit Buch von ellipsis art). Dennoch: 3,5

„Give Five“, das erste, fest zwölfminütige Stück auf TOM KLÖWERS „Sound Pictures“ (Aquarius) beginnt mit einer Höranleitung („Listen to the sound of fire… water“ etc.) zu den sphärischen Klängen von Airtubes und geht dann bald in den jazzigen 5/4- Takt von „Take Five“ über. Jupp Götz, Gesang, und Andreas Gilgenberg, Tenor-Saxophon, entwickeln improvisatorisch zwei schöne Themen, die allerdings nicht den Charakter des Vorbildes haben. 3,0

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