Zwei Tage, eine Nacht :: Regie: Luc & Jean-Pierre Dardenne

Für den Bruchteil einer Sekunde ist ein Zögern in ihren Augen zu erkennen, doch dann drückt Sandra entschlossen den Klingelknopf. Aus der Gegensprechanlage kommt ein knarziges „Hallo“. In einigen routinierten Sätzen erläutert Sandra ihr Anliegen, danach herrscht Stille. Ein kurzes Überlegen, dann zieht sie weiter. Sandra kämpft – um ihren Job. Weil sie für einige Zeit krankgeschrieben war, gilt sie ihrem Arbeitgeber nun als uneffizient und soll entlassen werden. Nach einem Gespräch mit dem Chef bekommt sie eine letzte Chance: Wenn sie die Mehrheit ihrer Kollegen davon überzeugen kann, dass sie die Jahresprämie von je 1000 Euro verzichten, darf sie bleiben. Und so macht sich Sandra am Wochenende auf den Weg, um jedem ihrer Kollegen persönlich ihre Misere zu erläutern.

Die belgischen Brüder Luc und Jean-Pierre Dardenne beleuchten mit „Zwei Tage, eine Nacht“ die sozia­len Folgen der ökonomischen Krise in Europa am Beispiel der Arbeiterschicht. Bin ich bereit, für ­einen finanziellen Vorteil die Existenz eines anderen aufs Spiel zu setzen? Diese moralische Gretchenfrage verkörpert Sandra auf ihrer Odyssee gegen die eigene Arbeitslosigkeit. Wie eine Bittstellerin komme sie sich vor, sagt sie, und in der Tat, es ist schwer zu ertragen, wie die junge Frau immer wieder ihre Litanei vorbringt, in der Hoffnung, ihr Gegenüber überzeugen zu können. Doch gerade in dieser einfachen Anordnung und der ständigen Wiederholung liegt die Kraft des Films. Denn mit jeder Begegnung verdichtet sich das Bild einer Gesellschaft, die sich immer stärker durch Effizienz definiert.

Die Kamera folgt der Protagonistin bei jedem Schritt. Marion Cotillard spielt sie wunderbar uneitel. Ihre Sandra verurteilt niemanden, sie zögert, sie zweifelt, sie verzweifelt, doch mit jedem Gespräch wächst ihr Glaube an eine soziale Verantwortung innerhalb der Belegschaft. Die Dardennes singen ein Loblied auf eine Frau, die sich zurück in die Gesellschaft kämpft, allen Widrigkeiten zum Trotz.

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