ROLLING-STONE-Porträt: James Bay – bald ein Popstar

JAMES BAY belebt alte Tugenden mit neuem Elan – und Modelmaßen

Beim Blick über die Spree auf die gegenüberliegende 02 World habe er sich vorgestellt, wie es wäre, eines Tages dort zu spielen. James Bay lacht. Er will das nicht ganz so ambitioniert klingen lassen, aber man merkt gleich, dass es ihm verdammt ernst ist mit der Karriere. Am Vorabend stand er mit seiner Band auf der Bühne des Berliner FluxBau und begeisterte 250 Leute mit den Songs seines hierzulande Ende März erscheinenden Debüts, „Chaos And The Calm“, für das die britische Hype-Maschinerie mal wieder tüchtig hochtourt. Hört man das Album, versteht man sofort, warum. Der positive, überschwängliche, emotionsgeladene Singer/Songwriter-Pop dürfte die Radiolandschaft schon bald beherrschen. Denn dort gehört Bay zweifellos hin. Was durchaus als Kompliment gemeint ist. Vorerst übt sich der Mann, der mit breitkrempigem Hut, langen Haaren und Skinny-Jeans auch als Model keine schlechte Figur abgäbe, noch ein wenig in Bescheidenheit.

1990 geboren und aufgewachsen in der Kleinstadt Hitchin, die sich „in jenem Gürtel um London befindet, in den es Menschen verschlägt, die sich ein Leben in der Metropole nicht leisten können“, ist Bay jeglicher Großstädterhochmut fremd. „Ich bin in einem sehr entspannten und sicheren Umfeld groß geworden“, sagt er, dem London als Kind immer viel zu verrückt und kaputt vorkam. Und für erste musikalische Schritte reichte das lokale Angebot zunächst auch aus. Er war Mitglied in verschiedenen Bands und begann eigene Songs zu schreiben. Doch innerhalb kürzester Zeit fühlte er sich wie die „Hälfte der gesamten Musikszene meiner Heimatstadt“. Es folgten die Wanderjahre des James Bay. In Brighton schrieb er sich am British and Irish Modern Music Institute ein, mehr als Vorwand, um sich anderweitig auszuprobieren auf dem Weg zum Erwachsenwerden. „Mir ist dort klar geworden, wo ich hinwill“, erklärt er. „Man kann in einem Klassenraum nun mal nicht lernen, ein guter Performer oder Songwriter zu sein. Das ist, als würde man ein Lexikon der Popmusik aufschlagen und nur die Passagen auswählen, die einem gefallen. So funktioniert das aber nicht. It’s no first-hand experience. Man geht raus und fliegt auf die Fresse und rappelt sich wieder auf. Darum geht es.“ Nach zwei Jahren stand er jedoch mit leeren Taschen da, also musste er notgedrungen nach Hitchin zurück, wo er sich mit Kneipenjobs über Wasser hielt.

Frustriert über diesen Rückschlag beschloss er, den Sprung nach London zu riskieren – als Straßenmusiker. Ein Freund drehte ein Video für ihn, das sich auf YouTube rasch großer Beliebtheit erfreute und sogar das New Yorker Label Republic Records aufhorchen ließ. Ein paar Wochen später saß er bereits in einem Flieger Richtung Big Apple, um einen Plattenvertrag zu unterzeichnen. Zudem bat man ihn, auf einen Zettel seine aktuellen Lieblingsproduzenten aufzuschreiben. Ganz oben auf Bays Liste: Jacquire King, der unter anderem mit Kings Of Leon, Tom Waits und Norah Jones gearbeitet hat. Und wieder einige Wochen später fand er sich in dessen Blackbird Studio in Nashville wieder.

„Er ist ein Gott“, seufzt Bay, noch immer ganz nervös. „Ich kam mir vor wie ein kleiner Fisch im großen Ozean.“ King habe ihm überhaupt erst gezeigt, was in ihm stecke. „Ich entdecke gerade erst meine Möglichkeiten: das, worin ich gut bin, was mich als Künstler ausmacht. Ich finde, das hört man auf meinem Debüt.“

Wer Aretha Franklin, Bruce Springsteen und Ryan Adams zu seinen all-time favourites zählt, ist schon mal auf dem richtigen Weg. Und der könnte James Bay noch weit nach oben führen.

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