Rückblick: Immergut 2012. Sarkastische Dinosaurier und aufrichtiges Schunkeln

Ein Wochenende wolkenlosen Sommerhimmels: mit Sportfreunde Stiller, Totally Enormous Extrinct Dinosaurs, Whomadewho, Me and my Drummer.

Die kleine Enttäuschung gab es zu Beginn: Wurden die anreisenden Festivalbesucher bisher jährlich mit dem roten, Tschu-Tschu-getauften Pendelzug zum Gelände gefahren, musste dieses Mal erstmalig auf Busse ausgewichen werden. Doch in Anbetracht des sonstigen Programms und des durchhaltend sommerlichen Sonnenscheins, war das sicher eine schnell zu verkraftende Entbehrung.

5000 Besucher fanden sich an diesem Wochenende, der 13. Runde des Immergut Festivals, ein, das von seinem Familientreffencharakter noch nichts eingebüßt hat. Kaum einer, der noch keines der vorherigen zwölf Wochenenden in Neustrelitz besucht hat. Und kaum einer, den man hier kennenlernt und nicht noch einmal wiedertrifft.

Dennoch wurde den Besuchern während den zwei Festivaltagen ein Programm auf drei Bühnen geboten:

Nachdem am Freitag nachmittag bereits Sandro Perri, Einar Stray und The Hidden Cameras die Besucher warmgespielt hatten, waren es dann Vierkanttretlager aus dem hohen Norden, die das Zelt um die Zeltbühne bis in den letzten Winkel füllten. Wer die Band bereits vor einigen Jahren mal gesehen hat, dürfte überrascht gewesen sein, haben die Husumer nun auch den letzten Rest vom Schulband-Charakter nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Die Natur greift an“ abgeschüttelt. Noch in den jungen Zwanzigern präsentieren sie sich meist schwermütig erhaben und sahen sich einem textsicheren und begeisterten Publikum gegenüber. Spätestens bei dem mit Schiffersklavier begleiteten „Fotoalbum“ und ihrer Hymne „Wir sind Gold“ wackelte der Holzdielenboden dann schon bedrohlich. Am Ende, eingehüllt in schönste Seefahrts-Lethargie, nahm das gesamte Publikum auf dem Zeltboden Platz und lauschte den vorgetragenen Ratschlägen in „Gib dem Leben keinen Sinn“  – „ohne Ziel und ohne Zweck, zieh dieser Zeit die Beine weg“.

Ein paar Meter weiter rechts bauten derzeit bereits Whomadewho auf, die die in der Zeltbühne entfachte Schwermut dann mit wenigen Takten wegspielten. Denn was auf Platte bei den Kopenhagenern manches Mal eher düster und schlicht wirkt, zeigt sich live in einem völlig anderen Gewand – durchgehend tanztauglich.

Der folgende Act “ We Did It“ sorgte bei dem ein oder anderen Festivalbesucher zunächst für Irritationen. Headliner des Abends und doch so völlig unbekannt? Ein Trugschluss, der schnell aufgeklärt wurde. Man hörte schon zuvor munkelnde Stimmen über einen Geheimact, der sich kurz darauf enthüllte. Nach längerer Pause und noch längerer Pause vom Immergut Festival betraten die Sportfreunde Stiller die Festivalbühne. Während Bassist Rüde zunächst noch den Sängerposten übernahm und einen Oi-Punkrocksong ins Mikrofon schmetterte, verbreitete sich noch kurze Unsicherheit auf den hinteren, Sicht-erschwerten Stehplätzen, die dann jedoch nach der Mikrofonübernahme durch Sänger Peter in Gejohle umschlug. Über eine Stunde spielten die Sportfreunde eine Mixtur aus alten Klassikern á la „Ein Kompliment“, „Frühling“, „Wellenreiten“ und einigen neuen Songs vom kommenden Album. Mit „Dritte Wahl“ fand das Konzert dann kurz nach Mitternacht seinen Abschluss.

Totally Enormous Extrinct Dinosaurs, der die erste Festivalnacht im Folgenden einläutete, ist ausgebildeter Musiker, Sohn eines Oxford Musikprofessors, liebt die Klassik und lebt diese Wurzeln in seiner ganz eigenen Mischung aus Elektro, Pop und House aus. Die Tracks „Garden“ und „Tapes & Money“ zogen in den vergangenen Monaten bereits ausführliche Runden über die einschlägigen Plattformen und nun durch das Festivalzelt. Auf einem aufwändig aufgebauten Pult, mit zwei Tänzerinnen im Vordergrund und selber das charakteristische Dinosaurierkostüm auf dem Kopf, zeigte er wie der Hype der letzten Monate zu Stande kam.

Zwischen Birken klang der Abend dann mit den, sonst in Berliner Clubs anzutreffenden, jungen Herren hinter Alle Farben mit verspielten Elektro weiter.

Nach ausgiebigen Ausschlafen und der ein oder anderen Tour zu einem der umliegenden Seen – zur Auswahl standen immerhin der Glambecker, Prälanker und Langer See sowie der Tiefe Zinow, der Lanz und der Tümpel direkt vor dem Eingang – setzte das Programm dann mit Tiere Streicheln Menschen fort. Während Martin „Gotti“ Gottschild Geschichten über verzwackte Alltagssituationen, über die Momente, wo man mit der Eleganz einer schockgefrorenen Giraffe rücklings auf den Gehweg kracht, erzählte, steuerte Sven van Thom musikalische Einlagen bei. So den vermeintlichen Sommertanz 2012 „Ich tanz den Spatz“ oder die schwermütige Erzählung „Auch dicke Mädchen haben Träume“. Nach der isländischen Sóley, die auch sonst gemeinsam mit Seabear musiziert, erzählte im Folgenden dann noch Heinz Strunk, gehüllt in seiner ganz eigenen Form von Sarkasmus und Beobachtungsgabe, von der Schönheit und dem Wahnsinn, vornehmlich, totaler Ereignislosigkeit.

Den musikalischen Auftakt für den Samstagabend gaben dann die Berliner The Mouse Folk, die kurzfristig für Young Dreams eingespungen waren, sich aber mit ihrem synthesizerdominierten und gitarrenflankierten Programm als adäquater Ersatz erwiesen.

Die Überraschung des Samstagabends fand sich dann in Me And My Drummer. Nicht, weil diese ebenfalls als Geheimact auf dem Immergut auftauchten, sondern vielmehr wegen einer unerwartet überzeugenden Livedarbietung. Nicht dass Charlotte Brandi nicht auch auf dem Album bewiesen hätte, dass sie mit ihrer Stimme dem eher minimalistischen Sound des Duos einen besonderen Klang verleihen kann – live konnte sie sich bereits nach den ersten Tönen auf eine Stufe mit Leslie Feist positionieren. Ein Vergleich, den man in mancher Plattenkritik schon lesen konnte und der an diesem Abend zweifellos seine Berechtigung fand.

Als um 00.45 dann Daniel Johansson und Joakim Sveningsson mit Band die Bühne betraten, war das Festivalgelände voll und der Campingplatz wie leergefegt. Friska Viljor waren die unbestrittenen Headliner des Wochenendes. Der trunkene Indierock voller „LaLa“ und Schunkelpassagen dürfte auch den Bierverkauf noch einmal angekurbelt haben und sorgte nicht nur in der Menge für Bewegung, sondern auch auf der Bühne, wo Sänger Johansson die Seitenflügel erklomm und sich schließlich auch nicht das Bad in der Menge nehmen ließ.

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