Rufus Wainwright: Leonard Cohen

Fantastische, gerahmte Skulpturen“ – so beschreibt Wainwright Cohens Songs. „Für einen Songschreiber ist es beängstigend, seine Musik zu hören. Aber die Herausforderung ist es wert: Man wird dadurch nur besser.“

1. „Who By Fire“ 1974

Ich liebe es, wie er einen aufs Glatteis führt: Man glaubt, bequem in einem Zug zu sitzen – und plötzlich reißt einen der Refrain in die entgegengesetzte Richtung und beschreibt eine Situation, die ganz banal sein kann oder katastrophal und unheilsschwanger. Diese Zeile: „And who shall I say is calling?“ – ich stelle mir vor, wie jemand im Nebenzimmer das sagt, und er baut die Zeile flugs in den Song ein.

2. „Don’t Go Home With Your Hard-On“ 1977

Ich bin ein großer Phil-Spector-Fan, deshalb liebe ich die Produktion dieses Songs. Leonard ist nicht unbedingt die erste Adresse, wenn man zu Musik tanzen will, aber in diesem Fall haut’s bestens hin.

3. „Death Of A Ladies‘ Man“ 1977

Ich habe das Gefühl, dass dies sein persönlichster Song sein könnte. Er vermittelt das Bild eines Mannes, der unter seine sexuellen Aktivitäten einen Schlussstrich gezogen hat, dadurch aber nur noch sexier wirkt.

4. „A Thousand Kisses Deep“ 2001

Es geht um die ewigen Fallstricke der Liebe, dass man am Ende fast so etwas wie ein Sklave ist, wenn auch ein glücklicher. Ich bin mit seiner Tochter gut befreundet und war in ihrem Haus, als er den Song schrieb.

5. „Sisters Of Mercy“ 1967

Das erinnert mich fast an die alten Ritter-Epen – an einen edlen Recken, der auf der Suche nach dem heiligen Gral ist und stattdessen auf ein Kloster voll lüstiger Nonnen stößt. Überkonfessionelle Begegnungen – davon braucht die Welt viel mehr.

6. „Chelsea Hotel No. 2“ 1975

Ich habe im Chelsea Hotel gelebt, ich habe dort auf dem Bett jemandem einen geblasen und mir selbst einen blasen lassen. Der Song liegt mir also.

7. „The Future“ 1992

Er scheint recht zu behalten: „Give me back the Berlin Wall.“ Man vergegenwärtige sich nur, was seitdem passiert ist: 9/11, Klimakatastrophe, die Bush-Jahre, was weiß ich. Die Lage wird nur schlimmer. Er ist ein Prophet.

8. „Take This Waltz“ 1988

Ich liebe diese Nummer, weil sie lyrisch ist und romantisch und vielleicht auch ein Leichtgewicht – so ganz anders als der dunkle, brütende, unverblümte und manchmal auch angsteinflößende Leonard. Jeder Songschreiber wird bestätigen, dass man solche Nummern im Repertoire haben muss, weil die Zuschauer sonst ihr Geld zurückverlangen.

9. „Bird On A Wire“ 1969

Mein Favorit unter all seinen Liedern. Es ist rührend und so wahr, wie er die Irrungen der menschlichen Natur beschreibt, all die Versuche, das Richtige zu tun – nur um dann festzustellen, dass man sein Ziel nicht erreicht hat.

10. „Famous Blue Raincoat“ 1971

Ein wundervolles, theatralisches Passionsspiel – mit einem Hauch von einer Seifenoper. Ich wünschte, ich wüsste, worum es wirklich geht. Ich habe das dunkle Gefühl, es könnte eine schwule Liebesaffäre sein – jedenfalls sagt mir das mein Homo-Gen. Aber wir werden wohl nie die Wahrheit erfahren.

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