Schluss im ZDF? So könnte es für Jan Böhmermann weitergehen

Der Moderator hat in der letzten Sendung von „Neo Magazin Royale“ angedeutet, dass er möglicherweise bald nicht mehr im ZDF zu sehen ist. Hier sind drei Szenarien, wie die Zukunft des Satirikers aussehen könnte.

Seien wir doch mal ehrlich: Jan Böhmermann passt mit seinen deftigen Zoten, seinen metareflexiven Witzen und den geradezu obsessiven und oft ironisch eingesetzten Netz-Aktionen nicht wirklich zum Altherren-Programm des ZDF.

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Sicher, mit der „heute-show“ hat der Sender die wohl erfolgreichste Comedy-Show der vergangenen zehn Jahre am Laufen, ohne die wohl auch der Mut, sich einen modernen Til Eulenspiegel wie Jan Böhmermann zu leisten, gar nicht aufgebracht würde. Natürlich spielt auch ZDFneo eine Rolle – jener Spartenkanal, auf dem teuer eingekaufte Markenware abgespult wird, die man zur Primetime lieber nicht zeigen möchte, um ja keinen Zuschauer mit all zu viel Komplexität zu erschrecken. Dort ist aber auch Platz für Experimente junger Querköpfe wie eben Böhmermann, die mit wenig Geld ihre Ideen umsetzen, um dann eventuell doch in einer Sendenische im ZDF laufen zu dürfen.

Böhmermann steht für das Fernsehen der Zukunft

Die Einschaltquoten für das „Neo Magazin Royale“ sind seit jeher nicht berauschend, wenn auch nach der Posse um das Schmähpoem deutlich im Aufwind – aber darum schien es bisher weder Böhmermann (Stichwort: #quotenbremse) noch dem ZDF gegangen zu sein. Wichtiger war die Botschaft, dass das gebührenfinanzierte TV auch mal frisch, frech und innovativ sein kann und ein zuweilen genialer, aber auch unbequemer Geist wie Böhmermann nicht als tragisches Dauertalent auf den hinteren Plätzen versauern muss.

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In der letzten Sendung seines Comedy-Formats, das seit dem vielfach kritisierten Erdogan-Gedicht inzwischen das ganze Land kennt, ließ der 35-Jährige eine eigenartige Bemerkung fallen, die seitdem nicht nur im Netz heftig diskutiert wird. Im Gespräch mit seinem Gast Steven Gätjen sagte er: „Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab ja demnächst vor, das andersrum zu machen.“ Will der Satiriker seinem Haussender etwa tatsächlich den Rücken kehren?

Was war die wirkliche Majestätsbeleidigung?

In den letzten Tagen waren zumindest Gerüchte aufgekommen, dass Böhmermann über das Verhalten des ZDF nach der Ausstrahlung der Episode mit dem Schmähgedicht enttäuscht sei – seinen Freigeist wohl auch nicht genügend gewürdigt sah. Zur Erinnerung: Der Sender warf den Beitrag aus der Mediathek und begründete dies damit, dass die sendereigenen Qualitätsstandards nicht eingehalten worden waren. Allerdings kündigte ZDF-Intendant Thomas Bellut auch an, juristische Rückendeckung für den Moderator zu garantieren, nachdem die Mainzer Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan ein Verfahren eingeleitet hatte.

Eigentlich ist es kaum von Bedeutung, ob das Mediengewitter um diese wohl perfideste und zurecht umstrittene Studioaktion wirklich der Grund für eine Neubewertung von Böhmermanns Karriereplänen darstellt. Zuletzt wechselte er ja schon gemeinsam mit Olli Schulz die Fronten und verabschiedete sich mit „sanft&sorgfältig“ vom öffentlich-rechtlichen „Radioeins“ des RBB zu Spotify, um dort die selbe Sendung unter anderen Bedingungen und möglicherweise für ein großzügigeres Salär abzuhalten.

Freiheit für den Narren

Tatsächlich dürfte es dem Moderator vor allem darum gehen, wo er möglichst ohne Störgeräusche seine eigenen Vorstellungen durchsetzen kann. Auch wenn er nach dem überraschenden Satz über seine Zukunft im ZDF eilig die Worte „Nein, ist ein Spaß“ hinterher schob (worauf die Pressestelle des Senders eigens hinweisen musste!), bleibt ein gar nicht so kleines Fragezeichen bestehen.

Findet so auch das „Neo Magazin Royal“ eine neue Heimat – oder Böhmermann gar eine anderes Format im Fernsehen? Hier sind drei mögliche Zukunftsszenarien:

1) Auf zur Konkurrenz

Jan Böhmermann bekommt einen lukrativen Vertrag bei ProSieben und darf dort auf dem Sendeplatz von Stefan Raab zu „TV Total“-Zeiten eine eigene Late-Night-Show präsentieren. Das Studio vom „Neo Magazin Royale“ bleibt unverändert, William Cohn darf weiter mit seinem Bariton schnurren und Ralf Kabelka gibt den beschwichtigenden Sidekick. Erinnert etwas an Harald Schmidt? Kein Wunder, Jan Böhmermann ist großer Fan, wurde von dem längst in TV-Rente gegangenen Berufszyniker auf die große Bühne geholt. Was wäre da passender, als dem Vorbild mit einem an die Gegenwart angepassten Late-Night-Show-Konzept nachzueifern?

Prognose: Es gibt noch mehr Netzaktionen, die Quote steigt und ProSieben hätte nicht nur die Raab-Vakanz gefüllt, sondern mit Böhmermann und Joko & Klaas auch die humoristischen Helden einer ganzen Generation unter einem Dach. So etwas nennt man auch in der Fernsehbranche einen perfect deal.

2) Schluss mit Fernsehen 

Jan Böhmermann entscheidet sich aus freien Stücken, komplett auf das öde Medium zu verzichten und erhält auf Amazon Prime eine eigene Show (die nicht viel anders aussehen wird als das „Neo Magazin Royale“). Viele seiner Zuschauer müssten kaum umdenken und dank der Studentenrabatte des Online-Kaufhauses mit Entertainment-Garantie auch nicht draufzahlen. Nachdem Böhmermann und Schulz nun bei Spotify ihre komischen Nonsense-Gespräche führen, wäre der komplette Rückzug (oder eher Fortschritt) ins Netz nur folgerichtig. Das Feuilleton würde leicht beschämt triumphieren, dass der Revolutionsgeist des Satirikers über alle Bedenken gesiegt hat und der 35-Jährige eben einfach mutiger und unabhängiger als viele seiner Kollegen ist.

Prognose: Es gibt noch mehr Netzaktionen, neben den Playlists auf Spotify kommen noch Verkaufsempfehlungen für Musikalben, DVDs und das Kindle dazu – und Böhmermann bleibt womöglich in den unterschiedlichsten Formen fast täglich mit kleineren oder größeren Clips präsent.

3) Erst mal Pause

Jan Böhmermann verabschiedet sich vor der Sommerpause von seinem Publikum und zur Überraschung des ZDF in eine längere TV-Abstinenz („Im April habe ich ja schon mal üben können – und ich muss sagen, es hat mir sehr gefallen!“) und geht erst einmal auf Weltreise. Dabei verbringt er viel Zeit in New York, wo er vor kleinem Publikum in Kneipen und schmuddeligen Hinterhof-Clubs auftritt. In der „Late Show“ isst er mit Stephen Colbert Döner, mit Jimmy Fallon imitiert er gemeinsam Rammstein – und das US-Publikum ist ein bisschen verliebt in den hageren german witzbold.

Prognose: Jan Böhmermann kommt nach fast einem Jahr mit Vollbart von seiner Weltreise zurück, erhält beim ZDF einen Rentenvertrag und zusätzlich den Sendeplatz nach der „heute-show“ (die mühevoll jugendlich angestrichene Kultursendung „Aspekte“ läuft dafür künftig nur noch online) und macht noch mehr Netz-Aktionen. Ach ja – aus der Ferne kommentiert der Moderator mit dem einzigen Video während seines Sabbaticals, wie in Deutschland sein Erdogan-Gedicht als gerade noch zulässige Satire im Sinne der Kunstfreiheit eingestuft wird und er vom Vorwurf der persönlichen Beleidigung auch nach Paragraph 103 des Strafgesetzbuches freigesprochen wird.

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