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Shakey Graves: Jeder Song schlägt einen neuen Purzelbaum

Der manische Songschreiber Shakey Graves liebt Heimaufnahmen, Disney-Filme und Surrealismus. Sein neues Album „Can't Wake Up“ ist vielleicht das beste seiner Karriere.

Eine Platte, die „Can’t Wake Up“ heißt, weckt automatisch Assoziationen zum Träumen. Vielleicht deutet der Titel auch einen Albtraum an, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Shakey Graves ist eigentlich kein Träumer, nicht einmal ein passionierter Schläfer. Eher nutzt er den Tag so gut es geht, um Erle­digungen zu machen, Musik zu schreiben oder zu malen. Alejandro Rose-Garcia, wie der Musiker mit bürgerlichem Namen heißt, ist ein Workaholic. In den letzten Jahren produzierte der selbst ernannte „Gentleman aus Texas“ insgesamt zwölf EPs, vier Alben und unzählige Songs, die sicher noch erscheinen werden. Sie müssten raus, weil er sie loswerden wolle, wie der Sänger lachend im Interview bestätigt.

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An diesem Tag ist er lange vor den ersten Sonnenstrahlen aufgestanden und trotzdem hellwach im Gespräch. Mit leuchtenden Augen spricht der 30-Jährige von den In­spirationen zu seinem neuen Album, das nach dem introvertierten „And The War Came“ (2014) einen völlig anderen Ton anschlägt. „Ich wollte nie so ein Folkpurist sein und habe mich deshalb entschieden, diesmal die Musik ins Zentrum zu stellen, die ich sonst so höre“, sagt Rose-Garcia. Neben den Songs von Elliott Smith und Broken Social Scene wurden dabei überraschend auch die Beatles und vor allem Harry Nilsson zu einem wichtigen Einfluss, schön zu hören auf dem am Powerpop der 70er-Jahre geschulten Song „Kids These Days“. „Eigent­lich konnte ich mit Nilsson nie etwas anfangen“, so der Sänger. „Aber meine Freundin ist besessen von seiner Musik, und als ich dann doch anfing, seine Sachen zu hören, war ich sofort begeistert.“

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Besessen vom „Zauberer von Oz“

Es ist kein Zufall, dass die Liedkunst von Shakey Graves einen cine­astischen Anstrich hat, verdient er seine Brötchen doch auch mit Schauspielerei. Jedoch eher in kleineren Rollen, wie in der Jugend­komödie „Material Girls“ (2006). Sein Herz schlage allerdings für Animations­filme, vor allem auch, wenn sie wie die großen Disney-Klassiker Märchen zur Grundlage haben. Er selbst schwärmt im Interview vom „Zauberer von Oz“. „Meine neuen Songs sollten im Vergleich zu meinen alten genau den Effekt haben wie in dem Film der Wechsel von Schwarz-Weiß zu Farbe“, sagt Shakey Graves.

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Und in der Tat erinnern Stücke wie „Big Bad Wolf“ an die symbolüberfluteten Fantastereien der längst legendären Verfilmung des Romans von Frank L. Baum, die auch deshalb immer aktuell bleiben wird, weil sie die Ängste der Menschen in archeytpischer Form versinnbildlicht. Viel mehr noch wolle er aber die emotional aufgeladenen Antinomien des Stoffs auf musikalischem Wege adaptieren, also ein Album aufnehmen, das mit jedem Track einen neuen Purzelbaum schlägt. Während „Aiboh­phobia“ (das aus lauter Palindromen besteht) nach reichlich LSD-Konsum entstand und sozusagen die Technicolor-­Seite der Platte repräsentiert, bilden melancholische Lieder wie „Di­ning ­Alone“ und der Rockstar-Abgesang „Tin Man“ das Negativ ab.

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In mancher Hinsicht sei es ein Anti-­Suizid-Album geworden, sagt der Musiker. „Ich erhielt Briefe von Fans, die versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Für sie wollte ich Songs schreiben, die ihnen einen anderen Blick auf das Leben schenken.“ Heraus gekommen ist aufgrund dieser komplexen erzählerischen Facetten das bisher ereignisreichste Album in der Karriere von Shakey ­Graves. Aufgenommen zur Hälfte in seinem Haus und an verschiedenen Orten Amerikas („Ich wollte mich bewusst isolieren“), beeindruckt es vor allem auch durch den vielfarbigen Gesang, dem Rose-Garcia während der Produktion besondere Aufmerksamkeit widmete.

Geniales Artwork

Aber noch etwas anderes fällt auf den ersten Blick auf: Angesprochen auf das raffinierte, surrealistische Artwork der neuen Platte – ein originelleres wird es in diesem Musik­jahr vermutlich nicht geben –, gerät der Songwriter ins Schwärmen. Nach einer schlaflosen Nacht sei ihm die Idee für das ungewöhnliche Setting gekommen und vor allem für die Produktion einer Mini­kulisse, die, aus verschiedenen Winkeln abfotografiert, eine stereoskopische Raumwirkung erzielt. Für den selbst gebastelten Hintergrund zog sich der Sänger ein ganzes Wochenende in seinen Keller zurück – und nun zeigt er allen, die sich dafür interessieren, stolz ein Making-of-Video auf seinem Handy.

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Shakey Graves live 2018

  • 30.10.18 – Köln, Kulturkirche
  • 04.11.18 – Berlin, Heimathafen Neukölln
  • 05.11.18 – Hamburg, Gruenspan
  • 08.11.18 – München, Freiheiz

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