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Sie singt darüber, wie sie überlebt hat

Itumeleng Ralebitso gehörte in einem der ärmsten Länder der Welt zu den Ärmsten. Mit elf Jahren wurde sie zur Waise und kam ins SOS-Kinderdorf von Lesotho. Dort änderte sich ihr Leben. Heute singt sie darüber und hat noch viel mehr vor.

Itumeleng Ralebitso startete mit denkbar schlechten Chancen ins Leben. Sie stammt aus einem Dorf in Lesotho. Das ist ein kleines Land im Süden Afrikas, dessen Staatsgebiet komplett über 1000 Höhenmetern liegt und in dem laut den Vereinten Nationen 57,1 Prozent der 1,9 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze leben. Doch Itumeleng hat es geschafft, mittlerweile sogar ihr Studium abgeschlossen. Und das alles, weil ihr Großvater sie ins SOS-Kinderdorf von Lesotho brachte – eines der weltweit 567 Kinderdörfer der Hilfsorganisation. Hier bekam sie ein sicheres Zuhause.

Lesotho ist eines der ärmsten Länder der Welt. Tumi, wie die heute 26-Jährige von den meisten Menschen genannt wird, gehörte in ihrem Heimatland zu den Ärmsten.
Ihre Eltern trennten sich, als sie sechs Jahre alt war. Danach musste sich ihre arbeitslose Mutter allein um die sechs Kinder kümmern, verkaufte Obst und Gemüse an Bushaltestellen und gelegentlich selbst gebrautes Bier. Mutter und Kinder lebten dicht gedrängt in zwei Zimmern. „Das Haus war voller betrunkener Männer und Frauen, der Lärm und das Chaos waren unerträglich“, erinnert sich Tumi, „immer mal wieder schliefen mein kleiner Bruder und ich auf der Straße, um einmal eine Nacht unsere Ruhe zu haben.“

So arm, dass sie an manchen Tagen betteln ging

Ihre zwei älteren Schwestern verließen früh das Zuhause. Als Tumi gerade einmal neun Jahre alt war, erkrankte ihre Mutter an HIV, und es war an Tumi, für die Familie zu sorgen. Mit ihren drei kleinen Geschwistern stand sie um fünf Uhr früh auf, um Früchte in einem Obstgeschäft zu verpacken. Wenn es gut lief und sie besonders hart arbeiteten, verdienten sie sich eine Packung Orangen, die sie dann nach der Schule verkaufen konnten. „Dann ging ich nach Hause, um meine Mutter zu waschen und zu füttern und um für meine Geschwister zu kochen“, erinnert sich Tumi. Nebenbei versorgte sie die Babys von Nachbarn, um noch etwas Geld dazuzuverdienen. „Doch wenn auch das nicht reichte, musste ich im Dorf betteln gehen“, erzählt Tumi. Die Erniedrigung dieser Jahre spürt sie noch immer: „Beim Betteln geht jegliche Selbstachtung verloren.“

„Beim Betteln geht jegliche Selbstachtung verloren“

Als ihre Mutter starb, war Tumi gerade elf Jahre alt: „Das Leben war ja schon vorher schwer für uns. Ohne meine Mutter konnte ich es mir gar nicht vorstellen.“ Geborgenheit und ein sorgenfreies Leben, die wichtigsten Faktoren einer glücklichen Kindheit, hatten das Mädchen und seine Geschwister nie wirklich gekannt – nun waren die Aussichten noch düsterer.
In Lesotho beträgt die Lebenserwartung 53 Jahre. Es mangelt an Trinkwasser und medizinischer Versorgung, insbesondere in den Gebirgsdörfern wie in Tumis früherem Wohnort. Das kleine Land hat die zweithöchste HIV-Rate der Welt, jeder vierte der rund zwei Millionen Einwohner lebt mit dem Virus, bei über einem Viertel der schwangeren Frauen wird bei der Voruntersuchung die Immunschwäche festgestellt. Beinahe ein Viertel der minderjährigen Kinder sind Waisen. Dazu kommen immer mehr verheerende Dürren, die zu Hungersnöten führen.

Die Aufarbeitung des Traumas beginnt im SOS-Kinderdorf

Nicht viele Kinder können diesem Elend entkommen. Tumi dankt ihrem mittlerweile verstorbenen Großvater Ntate Alexandra Ralebitso, ihr den Ausweg aufgezeigt zu haben. Er meldete seine vier Enkel in einem SOS-Kinderdorf in der Hauptstadt Maseru an. „Plötzlich musste ich mich nicht mehr sorgen, woher die nächste Mahlzeit kommt, ich musste nicht mehr arbeiten gehen. Alles veränderte sich, aber dieses Mal zum Guten“, erinnert sich Tumi 14 Jahre später.

Seit 1998 gibt es die SOS-Kinderdörfer auch in Lesotho. Im SOS-Kinderdorf in der Hauptstadt Maseru finden Kinder, die wie Itumeleng ohne elterliche Fürsorge sind, ein Zuhause
Seit 1998 gibt es die SOS-Kinderdörfer auch in Lesotho. Im SOS-Kinderdorf in der Hauptstadt Maseru finden Kinder, die wie Itumeleng ohne elterliche Fürsorge sind, ein Zuhause

Gemeinsam mit drei ihrer Geschwister wurde sie Teil einer SOS-Familie. Das familienbasierte Pflegesystem der Organisation bringt Kinder aus besonders prekären Verhältnissen in einer Pflegefamilie von zehn Kindern und einer Pflegemutter unter.

„Ich weiß, was es heißt, ein Elternteil zu verlieren, sexuell bedrängt zu werden, in Angst und mit Depressionen zu leben. Aber all das hat mich noch stärker gemacht“

Mit besonderer Dankbarkeit erinnert sich Tumi an ihre Pflegemutter. Die Frau namens Mamoruti Moruti hatte – wie alle Pflegemütter im SOS-System – die Aufgabe, den Haushalt der Familien zu führen, den Kindern beim Lernen zu helfen, ihnen zuzuhören, sie anzuleiten und vor allem Vertrauen wieder aufzubauen. Zu sich selbst und zu anderen Menschen. Tumi musste erst lernen, mit ihren Traumata umzugehen. Lange Zeit hatte sie ein geringes Selbstwertgefühl. Heute kann sie darüber sprechen: „Ich weiß, was es heißt, ein Elternteil zu verlieren, sexuell bedrängt zu werden, in Angst und mit Depressionen zu leben. Aber all das hat mich noch stärker gemacht.“

Ein Schulabschluss in Lesotho?

Vor ihrem Start im SOS-Kinderdorf kannte Tumi niemanden, der länger als neun Jahre zur Schule gegangen war. Als sie in Maseru in der neunten Klasse war, bekam sie die Chance, die Zugangsprüfung für das SOS-Hermann-Gmeiner-College in Ghana zu absolvieren. Die Schule – benannt nach dem österreichischen Pädagogen, der nach dem Zweiten Weltkrieg die SOS-Kinderdörfer ins Leben rief – wurde 1990 von der Organisation gegründet, um die erfolgversprechendsten Jugendlichen aus den SOS-Kinderdörfern, aber auch andere Jugendliche aus Afrika in ihrer Schulbildung zu fördern und sie auf die Universität vorzubereiten. Zurzeit lernen an der Schule, 25 Kilometer östlich von Accra gelegen, 360 Schüler aus 24 Nationen.

Nur sechs Prozent der jungen Erwachsenen in Lesotho beginnen ein Studium. Mit der Unterstützung von SOS-Kinderdörfer war Tumi eine von ihnen
Nur sechs Prozent der jungen Erwachsenen in Lesotho beginnen ein Studium. Mit der Unterstützung der SOS-Kinderdörfer war Tumi eine von ihnen

Nach bestandenem Aufnahmetest war Tumi nun an einer der besten Schulen des Kontinents angekommen. Doch sie lernte nicht bloß, sondern sang auch im Chor, wurde Kapitän des Volleyballteams und schließlich Vertrauensschülerin. Mit dem Doppelabschluss IGCSE und IB-Diplom, einem international anerkannten Schulabschluss, ging sie anschließend an die nahe gelegene Ashesi Universität und studierte Betriebswirtschaft.

Tumis Weg aus einem kaputten Zuhause in einem abgelegenen Dorf zu einem Abschluss an einer Top-Universität ist umso bemerkenswerter, wenn man das allgemeine Bildungsniveau im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas bedenkt: Ein Drittel der Kinder dort kann nicht lesen und schreiben, jedes dritte Kind geht nicht zur Schule, nur sechs Prozent der jungen Erwachsenen beginnen ein Studium.
Für Tumi soll die Universitätsausbildung später noch weitergehen, sie möchte den Master in Psychologie machen. Doch seit diesem Jahr ist sie erst mal beschäftigt – als Koordinatorin bei GoTeach, einem Programm zur Arbeitsvermittlung der SOS-Kinderdörfer und Deutsche Post DHL Group. Dabei kümmert sich Tumi um Praktika, Mentoren und Gründerprogramme für junge Menschen. Sie sagt: „Hier kann ich etwas zurückgeben von dem, was ich bekommen habe.“

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Ihren Dank äußert Tumi auch auf großer Bühne. Sie hat einen Song aufgenommen, der sich an die Verantwortlichen im SOS-Kinderdorf richtet. In „Thank You“ singt sie: „Ihr habt mich aus einer hoffnungslosen Situation gerettet.“ Am 22. November trat sie damit in Berlin auf – beim International Music Award.
„Ich möchte im Leben drei Karrieren einschlagen: Musik, Psychologie und Business“, blickt Tumi voraus. Bald will sie ihr erstes Album aufnehmen, neue Talente in Lesotho suchen, ihren Master in Psychologie machen, ihre Lebensgeschichte aufschreiben und irgendwann auch eine eigene Familie gründen. Große Pläne für eine junge Frau – aber genau das treibt sie an. Es sind die Pläne einer Frau, die lange gar nicht zu träumen wagte. Die statt zu lernen ums Überleben ihrer Familie kämpfen musste – und dafür jetzt umso hungriger auf das Leben ist.

Überall auf der Welt sind Kinder Krisen, Kriegen und Katastrophen ausgesetzt. Seit 70 Jahren helfen die SOS-Kinderdörfer Kindern und Familien in Not. Unser Ziel: Jedem Kind ein liebevolles Zuhause!

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Eine Produktion der Axel Springer Brand Studios für die SOS-Kinderdörfer weltweit. Die Redaktion war nicht beteiligt.

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