Songs zum Jahreswechsel I: „Neues Jahr“ von Gisbert zu Knyphausen

Die Bäume mögen noch in den Wohnzimmern stehen, aber das ändert nichts daran, dass man die Weihnachtslieder schon nicht mehr hören kann. Deshalb heute und in den nächsten Tagen: ein paar Songempfehlungen zum Jahreswechsel.

Man muss zu Knyphausens chronische Melancholie mögen, man darf nicht zu jenen zählen, die ihn für einen klampfenden Zausel halten, und man darf sich nicht davor scheuen, schöne, aber dem Alltag abgetrotzte Befindlichkeiten in klarer Sprache vorgesungen zu bekommen – nur dann entfaltet sich dieser so simpel anmutende Song in seiner ganzen Schönheit.

„Neues Jahr“ eröffnete das namenlose Debüt des Songwriters mit dem weinadligen Famileinbackground und führt in eine Szenerie, die einigen vertraut sein dürfte, bzw. die sich ein Jeder wünschen würde: Ein zunächst verknalltes, dann verliebtes Streifen durch Berlin, offensichtlich von einem zugereisten Paar – denn sonst hätten sich die beiden wohl kaum zum Kuhdamm verirrt. So heißt es im Song:

Zwei alte Damen glotzen blöd in der U-Bahn.
Du siehst Deinen Platz und lässt Dich fallen.
Du schaust hinaus und schweigst mich an bis zum Kudamm –
und dann stehst Du auf und ich auch.
Und in der Stadt die ganzen glücklichen Gesichter.
Ich mein, irgendwie gehören wir doch dazu.
Wir erzählen uns unsere stumpfen Geschichten –
wir sind soviel heut Nacht Ich und Du.

So folgt man dem Paar über kalte Gehsteige und simple Akkorde, berauscht von dem so offen auf dem Herzen getragenen Pathos, bis zu Knyphausen den Song in einem temporeichen Finale mit einem Fallen und Rutschen ins Glück beendet :

Doch wohin mit all dem Unsinn?
Vielleicht wird es gut wenn es jetzt hier endet.
Wir haben keine Wahl.
Wir rutschen tiefer und tiefer und tiefer,
Tiefer und tiefer und tiefer,
Tiefer und tiefer und tiefer ins Glück!

Da mag manch einer kotzen. Mir egal – ich seufze.

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Daniel Koch

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