Die besten Bücher von Stephen King: „The Stand – Das letzte Gefecht“

Noch vor der „Dark Tower“-Reihe als Kings Magnum Opus gefeiert, galt „The Stand“ wegen seiner Fülle an Schauplätzen und Figuren lange Zeit als unverfilmbar. King legte sogar noch eine „Extended Edition“ dieser Geschichte nach, die deutsche Neufassung umfasst mehr als 1100 eng gedruckte Seiten.

Stephen King – Das Ranking

Die besten Bücher von Stephen King

Platz 04:

The Stand (1978, deutsch „Das letzte Gefecht“)

★★★★★

Noch vor der „Dark Tower“-Reihe als Kings Magnum Opus gefeiert, galt „The Stand“ wegen seiner Fülle an Schauplätzen und Figuren lange Zeit als unverfilmbar. King legte sogar noch eine „Extended Edition“ dieser Geschichte nach, die deutsche Neufassung umfasst mehr als 1100 eng gedruckte Seiten.

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Ein Virus hat fast alle Menschen ausgerottet, im „Sündenpfuhl“ Las Vegas treten die Überlebenden, gute Menschen gegen böse Menschen, zum „letzten Gefecht“ an. Für King, der selten über seinen eigenen Glauben geschrieben hat, ein geradezu religiös wirkendes Werk. Tatsächlich diskutieren die Charaktere ausführlich darüber, ob das Virus eine Strafe Gottes gewesen sein könnte; in seiner Revision von 1990 verkneift King sich zum Glück naheliegende Theorien, dass die Leute gewisse Bezüge zu Aids herstellen könnten.

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Der Kniff besteht darin, dass es sich bei „Captain Trips“ tatsächlich um ein vom Militär geschaffenes Virus handelt, also Menschenwerk ist – der geheimnisvolle Randall Flagg jedoch, ein Mann, dessen Verbindung zu dunklen Kräften ungeklärt bleibt, das Chaos auf der Erde für seine Zwecke zu nutzen weiß. Insofern mischt der Teufel, und damit das Spirituelle, dann doch mit.

Bitte keine zweite Erzählung der Menschheitsgeschichte

Wer etwas über Kings Schreibprozess lernen möchte, ist hier gut aufgehoben. In seinen Memoiren „On Writing“ (2000) berichtet er, wie ihm der Roman ab der Hälfte fast entglitten war, er nicht mehr weiter mit der Story wusste – und befürchtete, sie nie vollenden zu können. Unverkennbar bleibt, dass King sich tatsächlich über weite Strecken verschwatzt hatte: Nachdem sich die „guten“ Überlebenden versammelt und eine neue Zivilisation gegründet haben, wird sehr ausführlich – Glen Bateman verspielt sich dabei fast alle Sympathien –  über Möglichkeiten diskutiert, wie die neue Verfassung auszusehen habe, wer in die Regierung gewählt werden soll, wie mit Menschenrechten umzugehen ist usw. Das Buch entfernt sich hier unnötig von seiner Ausgangslage, und der Autor übt sich als Staatsphilosoph. King räumt selbst ein, dass er sich Sorgen gemacht habe, er würde zu viel Zeit damit verbringen, den Wiederaufbau der Zivilisation zu dokumentieren: Dann erzähle er die Menschheitsgeschichte ein zweites Mal, und doch machen die Leute immer dieselben Fehler. Erst mit der Aussendung der „Spione“ zum Feind Flagg, für deren Reise und Sinnfindung King sich noch am deutlichsten an Tolkien bedient, nimmt die Geschichte wieder an Fahrt auf.

Kein anderes seiner Bücher jedenfalls hat eine derart gelungene, auf beiden Seiten ausgewogene Reihe von Charakteren, in die man sich nur allzu gerne verliert. Flagg, der in „The Stand“ seinen ersten Auftritt feiert, würde King bis heute beschäftigen. Mit Lloyd Henreid und dem „Trash Can Man“ stellte er ihm zwei außerordentliche Psychopathen an die Seite, der eine pervers und dumm, der andere ein trauriges, großes Kind mit pyromanischem Drang.

Und dann sind da natürlich die großen Helden, wie der Autor sie kein zweites Mal schuf: der schweigsame All-American-Hero Stu Redman; sein späterer Weggefährte, der egoistische Rockstar Larry Underwood, der sich dann doch für das Gemeinwohl opfern wird; die schwangere Frances Goldsmith, die, Apokalypse und Virus hin oder her, fest an eine Zukunft ihres Kindes glaubt; das rührende Duo bestehend aus dem jungen, klugen, taubstummen Nick Andros und dem geistig zurückgebliebenen Tom Cullen; Nadine Cross, die ihr trauriges Schicksal erahnt; der unsympathische, aber Mitleid erregende Teenager Harold Lauder, der nur deshalb die Seiten wechselt, weil er bei Frauen niemals einen Stich landen kann. Selbst der Roman-Hund, Kojak, beschäftigt einen noch nach Ende des Buchs.

Was allerdings auch ab „The Stand“ zunehmend Einfluss in Kings Werk nehmen wird, ist der herausfordernde Humor des Autors. Vor allem der Galgenhumor. Die Selbstgespräche der Charaktere nehmen zu, und die Marotte des Schriftstellers, sie aufgrund ihrer Gedankenexperimente in den absurdesten, gefährlichsten Situationen kichern oder auflachen zu lassen, ist enervierend. Umso brenzliger die Situation, desto öfter müssen die Leute sich die Hand vor den Mund halten, um nicht loszuprusten oder hysterisch aufzulachen. Aber auch das Wordplay vor dem Sex, die Anzüglichkeiten unter der Bettdecke, sind kindlich arrangiert. Wortspiele und Fäkalsprache liebt King sehr – oder schiebt sie zumindest seinen Figuren in den Mund –, und es gibt nicht wenige Momente, die dadurch völlig entschärft bis ad absurdum geführt werden. Er ist einfach kein Humorist.

Aber auch was das Positive angeht, hat King an seinem frühen Meisterwerk heute noch zu tragen. Immer wieder, erzählte er, werde er auf Lesungen gefragt, was die Romanfiguren jetzt denn so treiben würden. Wie geht es Tom Cullen? Was macht das Kind von Frances? Eine Fortsetzung des „letzten Gefechts“ ergäbe keinen Sinn. Man wünscht es sich aber doch.

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