Sweet And Lowdown

Je mehr sein Ehrfurcht gebietendes filmisches Universum wächst, desto nörglerischer und kleingeistiger werden die Kritiker Woody Aliens: Die geliebten Tbpoi und Manierismen gelten nichts mehr, die Verve seiner Schauspieler und der noch immer erstaunliche Realismus, der im Märchenhaften seiner Drehbücher aufscheint Ausgerechnet die saure, merkwürdig misogyne und bei aller Libido lustlose Selbstbeschau „Deconstructing Harry“ fand Verehrer, während zuletzt die verspielte, stupend komische Satire „Celebrity“ allein qua Leonardo DiCaprio zur Kenntnis genommen wurde.

Dabei war Allen, wie gerade eine Umfrage der Filmzeitschrift „Steady Cam“ ergab, der konstanteste und wenn man das sagen darf- produktivste Regisseur auch der 90er Jahre: Sieben Filme wurden unter die besten der Dekade gewählt Und da fehlt sogar noch der allerschönste Alien-Film, die Dokumentation „Wild Man’s Blues“ über seine Tournee mit Frau und Klarinette durch Europa. Aliens Kino ist ein selbstreferentielles System, es handelt immer wieder und immer noch von der Liebe, der Kunst und der Eitelkeit, mithin vom Vergänglichen (und wie man Witze darüber macht). Aber nicht Woody allein ist hier der Herrscher – manchmal blickt er über sich selbst hinaus, um eine Art Gegen-Woody, einen wilderen, verrückteren, vielleicht glücklicheren Menschen zu beobachten. „Zelig“ war so ein FalL wahrscheinlich auch sein „Broadway Danny Rose“.

Nun spielt Sean Penn eine Figur, die Woody Allen zweifellos überfordert hätte: den Jazz-Gitarristen Emmett Ray, eine fiktive Gestalt in einer fiktionalen Film-Dokumentation. Was bedeutet, dass ebenso fiktive Kritiker, Buch-Autoren und Jazz-Aficionados vor neutralem Hintergrund erzählen, wer dieser Emmett in den 30er Jahren war. Zur Beglaubigung sehen wir Emmett als Sean Penn, bevor er verschwand und niemals wiederkam.

Ein Wirrkopf war Emmett offenbar, ein Spinner und Angeber und Weiberheld: Nur Djano Reinhardt im fernen Europa sei ein besserer Gitarrist, prahlt er überall Zur Großmannssucht kommt die Kleptomanie, und in der Nacht fahrt er die Frauen gern zum Schrottplatz, wo er auf Ratten schießt Einmal begegnet er dann doch Reinhardt, aber das ist eben nur Legende. Am Ende, auf der Suche nach dem Gesang der Eisenbahnschienen, schlägt der betrunkene Träumer sein Instrument in Trümmer, dann hört man nichts mehr von ihm. Nur seine Aufnahmen bleiben. Das Leben dankt der Kunst Allen braucht, um die schmale Biografie zu erzählen, natürlich nur seine 90 Minuten. Der Zuschauer dankt ihm.

Es gibt in diesem kleinen, zarten Film neben einem großen Schauspieler auch eine große Liebesszene im Hotelzimmer: Die stumme Hattie wird vom geschwätzigen Emmett verfuhrt – bis er merkt, dass dieses Mädchen gar nicht verfuhrt werden muss. Da wird Emmett ganz stumm. Samantha Morton hätte nur dafür den Oscar ebenso verdient wie Sean Penn.

Von Woody Allen natürlich ganz zu schweigen.

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