The Beatles: Clowns im Chaos

Die Beatles nehmen mit Gästen "Sgt. Pepper" auf. Februar 1967.

Am Freitag, dem 10. Februar 1967, gaben die Beatles eine Party in den EMI-Studios an der Abbey Road im Nordwesten Londons. Anlass: die Aufnahme von 24 Takten improvisiertem Crescendo, gespielt von einem 40-köpfigen Orchester für „A Day In The Life“, den Schlusssong ihres damals gerade entstehenden Meisterwerks „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Zu den Special Guests gehörten Mick Jagger, Keith Richards, Donovan und Michael Nesmith von den Monkees. Auf Bitten der Beatles trugen die Orchestermitglieder Abendgarderobe, dazu Karnevalskäppis, Clownsnasen, falsche Bustwarzen sowie, im Falle des ersten Geigers, eine Gorillapfote als Bogenhand. Die Toningenieure Geoff Emerick und Ken Townsend nahmen das musikalische Chaos auf zwei miteinander verbundenen Vier-Spur-Bandmaschinen auf, damit war es die erste Achtspuraufnahme in England überhaupt. „Es dauerte nur eine Dreiviertelstunde, die Bandmaschinen zu synchronisieren“, sagt Townsend. „Das Anstrengendste war, die Dinger die Treppe hoch in den Regieraum zu schleppen.“

Der ganze Abend resultierte in nur 30 Sekunden Musik (die im Song zweimal verwendet wurden). Aber die Session war typisch für die lustvolle Frechheit, mit der John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr bei „Sgt. Pepper“ ans Werk gingen. „Wir hatten es satt, die Beatles zu sein“, sagte McCartney mit Blick auf die schwarzen Anzüge und die kreischenden Mädchen, die sie nach ihrem Abschied von der Bühne im Sommer 1966 hinter sich gelassen hatten. „Wir waren keine Jungen mehr, wir waren Männer. Künstler, nicht Performer.“ „Sgt. Pepper“ war der bewusst überspitzte Beweis dafür, und ein Meilenstein, was den Technicolor-Sound, das durchgängige Konzept und auch die Songwriting-Ambitionen betraf.

Fast jeden Ton des Albums nahmen die Beatles in einem einzigen Raum auf, in Abbey Roads bescheidenem, weiß gestrichenem Studio Two. (Die Orchester-Session für „A Day In The Life“ bildete die seltene Ausnahme und fand im riesigen Studio One statt, wo sonst nur Symphonisches entstand.) Das Gebäude in der Abbey Road war 1830 als noble Privatresidenz entstanden, mit neun Schlafzimmern, Bedienstetenquartieren und einem Weinkeller. Aber 1967 waren die EMI-Studios darin düster und veraltet, vor allem gemessen an den rasant sich entwickelnden Bedürfnissen von Lennon und McCartney. „Ich stand jeden Tag vor neuen Problemen“, erinnerte sich Produzent George Martin. „Die Songs der frühen Jahre waren ja ganz geradlinig, mit denen konnten man nicht allzu viel herumspielen. Aber nun entwarfen sie Soundgemälde.“ Die Beatles waren ekstatische Erfinder. Für einen perkussiven Effekt in McCartneys „Lovely Rita“ zweckentfremdeten sie das offizielle EMI-Toilettenpapier (mit dem Aufdruck „The Gramophone Company Ltd“) und bliesen damit auf einem Kamm. Und das war nur einer von vielen exzentrischen Einfällen.

„Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“erschien am 1. Juni 1967 in dem legendären Klapp-Cover des Künstlers Peter Blake und des Fotografen Michael Cooper. Es elektrisierte die Welt.

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