Lieblingsalben der 80er: Cyndi Lauper – „She’s So Unusual“

Cyndi Lauper. Ja, die schreibt man so! Wer damals „Cindy“ schrieb, hatte nichts verstanden und war sofort abgemeldet. Gilt eigentlich noch heute.

Die erste Schallplatte, die ich mir nicht schenken ließ, sondern von meinem eigenen Taschengeld kaufte, war im August 1983 „Madonna“. Eine gute Wahl für eine Elfjährige, doch zwei Monate später kam ein Album raus, das mir noch mehr bedeutete: „She’s So Unusual“ von Cyndi Lauper. Ja, die schreibt man so! Wer damals „Cindy“ schrieb, hatte nichts verstanden und war sofort abgemeldet. Gilt eigentlich noch heute.

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Cyndi Lauper war schon dreißig und also längst kein Mädchen mehr, aber sie sang die ausgelassenste Hymne, die Mädchen je hatten: „Girls Just Want To Have Fun“. Später wurde der Slogan auf T-Shirts ergänzt zu „Fun-damental Rights“, und das stimmt natürlich auch, doch der Spaß, den Cyndi meinte, war eigentlich schon ein Grundrecht: Das Lied ließ uns wissen, dass wir uns nichts gefallen lassen müssen und auf niemanden angewiesen sind. Aufgepasst! „Some boys take a beautiful girl and hide her away from the rest of the world/ I want to be the one to walk in the sun“, sang Cyndi, und ihre quäkige Stimme passte so wunderbar zu ihrem quietschbunten Erscheinungsbild. Für mich standen ihre knallroten Haare in der Tradition meiner beiden Lieblings-Anarchisten – sie sah aus wie eine wilde Mischung aus Pumuckl und Pippi Langstrumpf.

Das Cover des Albums fotografierte Annie Leibovitz in Coney Island, Cyndi trägt ein Kleid, das sie in dem Secondhandladen gekauft hatten, in dem sie früher arbeitete. Die hochhackigen Schuhe hat sie zur Seite gefegt, und die Netzstrümpfe wirken bei ihr ganz anders als bei Madonna. Wahrscheinlich mochten wir schrägen Mädchen sie deshalb so gern: Wir wussten, wir würden niemals so sexy sein wie Madonna, aber wenn uns das so egal sein könnte wie Cyndi, dann hätten wir schon gewonnen! Natürlich wurde schließlich die scharfe, ehrgeizige Blondine der Superstar, nicht die vergnügte Rothaarige.

Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, dass „She’s So Unusual“ das bessere Album ist? Da stehen neun zwingende Popsongs und ein Kirmes-Stück (das 45-sekündige „He’s So Unusual“) gegen „Madonna“ mit nur vier Hits zwischen einigem Füllmaterial: „Lucky Star“, „Borderline“, „Holiday“, „Everybody“. Okay, zugegeben, auch nicht schlecht! Zumal wir damals ja noch dachten, Madonna sei die lässigste Schlampe der Welt. Konnte man nicht ahnen, dass sie später ein durchtrainierter Controlfreak werden würde, der unbedingt jugendlich bleiben muss, koste es, was es wolle.

Madonna und Cyndi verband nicht nur, dass sie quietschende Stimmen mit hohem Wiedererkennungswert hatten, sie hatten auch ein Gespür für die richtigen Songs, die sie sich zu eigen machten. Dass „Money Changes Everything“ im Original von der Rockband The Brains war und „When You Were Mine“ ein Prince-Song, interessierte uns damals gar nicht. Für uns waren es Cyndi-Lauper-Songs, ohne ihren Gesang nicht vorstellbar. Sie hatte auch „Girls“ nicht selbst verfasst, dafür mit Rob Hyman (The Hooters) den zweiten Superhit des Albums, „Time After Time“ – dieses unfassbar traurige, ganz und gar wunderbare Stück, das so zeitlos ist, dass man es wieder und wieder hören kann, bis die Nadel kaputt ist. (Damals getestet: Es dauert ungefähr 21 Tage in Dauerschleife und hat den tollen Nebeneffekt, dass einen dann die ältere Schwester hasst, die im Zimmer nebenan wohnt.)

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Cyndi Lauper wurde die erste Sängerin, die vier Top-5-Singles aus einem Debütalbum in den US-Charts hatte, und einer davon war das von ihr mitgeschriebene „She Bop“. Dafür kann man sie gar nicht genug feiern. Mit einer Hymne auf die Selbstbefriedigung in die Hitparade! 1983, lange vor „I Touch Myself“ von den Divinyls oder Green Days „Longview“, keine Selbstverständlichkeit.

Damals nervte in den USA das PMRC (Parents Music Resource Center) um Tipper Gore – ein Gremium, das Jugendliche vor böser Rock- und Popmusik schützen und auf alle Platten mit anzüglichem Inhalt einen „Parental Advisory“-Aufkleber pappen wollte. Natürlich erwischte es auch Cyndi. „She Bop“ landete unter den „Filthy Fifteen“, einer Liste mit den schlimmsten Liedern, neben „Animal (Fuck Like A Beast)“ von W.A.S.P. oder „We’re Not Gonna Take It“ von Twisted Sister (deren Sänger Dee Snider neben Frank Zappa zum härtesten Gegner des PMRC wurde – seine Aussage vor dem Senat ist auf YouTube zu finden, eine sehr unterhaltsame und schlaue halbe Stunde).

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Die meisten der „schmutzigen“ Stücke kommen einem heute herrlich harmlos vor (Madonnas „Dress You Up“) oder einfach nur blöd („Let Me Put My Love Into You“ von AC/DC). Selbst Prince’ „Darling Nikki“ wirkt mit der doch recht konventionellen Verführungsgeschichte 2021 etwas billig, anders als „She Bop“, das sich ganz auf die Protagonistin konzentriert. Dass dieses „Blueboy magazine“, das Cyndi laut der ersten Strophe jeden Abend las, eigentlich eine Zeitschrift für schwule Männer war, erfuhr ich erst viel später. (Wie gesagt: Ich war elf und in einem bayerischen Dorf zu Hause, entschuldigen Sie also bitte meine wiederholte Ahnungslosigkeit.)


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Worum es dann ging, wurde bald nicht nur in der „Bravo“ ausführlich diskutiert, es war auch recht offensichtlich: „I’ve been thinking of a new sensation/ I’m picking up a good vibration … They say I better stop or I’ll go blind … They say I better get a chaperone/ Because I can’t stop messing with the danger zone.“ Aber schließlich die Erlösung: „Ain’t no law against it yet!“ Noch heute muss ich lächeln, wenn ich das Lied höre, weil es so freudig erregt über alle Stränge schlägt. Wie sie kiekst und gluckst, dass man gar nicht weiß, ob das ein Lachen ist oder ein Schluckauf. Und dann fängt sie natürlich noch an zu hecheln. Der Song ist eine so fröhliche Verteidigung der puren Lust – notfalls eben auch mal ohne Partner, vor allem aber ohne schlechtes Gewissen. Trotz des Drucks vom PMRC und von manchen Radiostationen entschuldigte sich Cyndi Lauper nie, sondern blieb bei ihrer Meinung: „A bop a day keeps the doctor away. Also empfehle ich es.“

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Ich empfehle „She’s So Unusual“ immer noch von ganzem Herzen – es ist trotz der typischen Synthesizer und billigen Drum-Beats überraschend gut gealtert. Lebensfreude gerät eben nie aus der Mode.

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