ROLLING STONE Talk mit R.E.M.: „Am Ende steht die Hoffnung“

Beim ROLLING STONE Talk mit R.E.M. sprachen Michael Stipe und Mike Mills über ihr Meisterwerk „Automatic For The People“, das sein 25. Jubiläum feiert.

Beim ROLLING STONE Talk mit R.E.M. sprachen Michael Stipe und Mike Mills am Dienstagabend (7. November 2017) mit ROLLING-STONE-Redakteurin Birgit Fuß im The Venue Berlin über das 25. Jubiläum ihres Meisterwerks „Automatic For The People“.

Wie war das damals bei den Aufnahmen, wo haben sie die zusätzlichen Songs ausgegraben und was bedeutet das Album ihnen heute? Dazu beantworteten die beiden Musiker auch Fragen der Fans.

Stimme einer Generation? Bitte nicht

Das Gespräch mit Redakteurin Birgit Fuß begann mit der Erinnerung an die Ära von „Out Of Time“, dem „Automatic“-Vorgängeralbum von 1991, mit dem die Vier aus Athens, auch dank der Single „Losing My Religion“, zu Megastars wurden.

„Touristen drehten ihre Rundfahrten vor meinem Haus“, erzählte Stipe. „Aber eines wollte ich nie sein: Die ‘Stimme einer Generation‘“. Es gab gar eine Zeit vor „Automatic“, berichtete er, wo er nicht sicher gewesen war, ob er sich mit HIV infiziert hatte. „Ich hatte es geschafft 30 zu werden. In den Jahren davor, in meinen Zwanzigern, war ich mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt 30 werden würde.“

Stipe blieb gesund, aber in New York City habe er gesehen, wie ganze Freundeskreise an Aids verstarben. Auch deshalb spiele der Tod eine Rolle in „Automatic For The People“. „Doch selbst Stücke wie ‚Find The River‘ oder ‚Try Not To Breathe‘ enden auf einer optimistischen Note. Am Ende steht die Hoffnung.“

Herausfordernde Demos

Eineinhalb Jahre nach dem Millionenseller „Out Of Time“ hatten R.E.M. dann also alle Fans und Kritiker überrascht – mit einem Werk, das sich um Tod, Abschied und Loslassen drehte. Die Band riskierte mit „Automatic For The People“ eine Entfremdung. „Sterblichkeit war ein zentrales Thema“, erzählte Bassist Mike Mills. „Wir wussten, das Songmaterial war gut. Aber wir konnte nicht wissen, dass die Resonanz auf die Platte derart gut ausfallen würde.“

ROLLING STONE Talk mit R.E.M. – das Video:

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Dabei sei es nicht einfach gewesen, die Rohfassungen für das Reissue bereitzustellen oder gar abzuhören. „Wenn ich mir jetzt manche Demos anhöre“, berichtete Stipe, „möchte ich mich sofort vor den nächsten Truck werfen“ – keine Frage, dass weder Fans noch Kritiker diese Selbstkritik nachvollziehen können, dokumentierten die Demos doch die verletzlichen, großen Seiten aus dem Entstehungsprozess des achten Studioalbums.

„Die Skizze von ‘Find The River‘ gefällt mir auch sehr gut“, räumte Stipe ein. „Meine Stimme geht darauf bis ins Opernhafte, geht in Richtung Pavarotti“.

Das Lachen auf „Automatic“

Und dennoch lohne es sich, wie Birgit Fuß hervorhob, trotz der dargebotenen Trauer auf die Spielfreude aufmerksam zu machen, die aus vielen der zwölf Songs spricht. „Man On The Moon“ etwa, in dem Stipe den Comedian Andy Kaufman nachempfand, wie er seine typische Elvis-Hommage vorführt. Oder „The Sidewinder Sleeps Tonite“, in dem Stipe zu hören ist, wie er lacht.

„Wir haben schon immer Lieder komponiert, die lustig waren“, so Stipe. „Stand“ gehöre dazu, „Pop Song ’89“ – Songs, die auch Neunjährigen gefallen würden. „’Sidewinder‘ von ‘Automatic‘ erzählt nicht umsonst auch von Dr. Seuss“.

Warum R.E.M. so selten auf Fotos lachen? „Wie haben eigentlich immer gelacht“, erzählte Mike Mills. „Aber unsere Songthemen waren oft ernst. Das hatte für uns zentrale Bedeutung.“ Stipe lakonisch: „Wir mochten unsere Zähne einfach nicht – deshalb sah man uns so selten lächeln.“

ROLLING-STONE-Redakteurin Birgit Fuß mit R.E.M.-Manager Bertis Downs im The Venue Berlin

Reunion?

Kein Talk mit R.E.M. käme ohne die Frage aus, ob es irgendwann die Wiedervereinigung einer der wichtigsten und meistgeliebten Bands der letzten 35 Jahre geben kann. Viele der Fragen, die für den ROLLING STONE Talk eingereicht wurden, drehten sich um die Wahrscheinlichkeit einer Reunion.

R.E.M. gaben darauf zwei Antworten.

Die ernste kam von Michael Stipe. Sie lautete knapp: „The Answer Is No.“

Die lustige kam von Mike Mills, aber nach einer ebenso lustigen Vorlage von Michael Stipe. Der Sänger sprach über den Einfluss des Produzenten Scott Litt, und dass der als Gras-Liebhaber gut zu Bandkollege Mills gepasst habe. Mills ließ sich den Seitenhieb nicht bieten, er lachte: „Und dann fragen sich die Leute, warum die Band sich aufgelöst hat!“ Und Stipe lachte dann auch.

Die Zwei verstehen sich, noch immer, auch nach der Auflösung von R.E.M. „Wir bedauern den Split nicht“, so Mills.

Also: erstmal keine Wiedervereinigung von R.E.M. Der Trost: Die beiden Musiker lieben „Automatic For The People“ auch nach 25 Jahren noch. Und sie sprechen gern darüber.

Und die zwölf Songs? Klingen so frisch, als wären sie gestern erstveröffentlicht worden. Als im Anschluss an den ROLLING STONE Talk das Reissue vorgespielt wird, die zwölf Albumsongs plus die wunderschönen Extras, zaubert das seliges Lächeln auf die Gesichter der Anwesenden.

Diese Platte begeistert auf Lebenszeit.

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