Warum „Smile“ nur 38 Jahre lang das beste Album aller Zeiten war

Die Beach Boys feiern mit Tour und Album ihr 50. Jubiläum - Anfang August sind sie in Deutschland. Ein guter Anlass für uns, die großen Fragen zu klären, was verschiedene Autoren in unserer aktuellen Ausgabe getan haben. Wir werden die zehn Texte bis zu ihrem Tourstopp bei uns auch auf rollingstone.de veröffentlichen.

Unser nächstes Album wird besser sein als ,Pet Sounds’“, erklärte Brian Wilson im Oktober 1966 in einem Interview. „Es wird eine solche Verbesserung gegenüber ,Sounds‘ sein wie das gegenüber ,Summer Days‘.“ Und warum hätte man ihm das seinerzeit nicht glauben sollen? Die Beatles hatten schließlich vorgemacht, wie man mit jeder Veröffentlichung die davor übertrumpfen konnte. Und die aktuelle Beach-Boys-Single „Good Vibrations“ schien „Pet Sounds“ tatsächlich an Komplexität und Hexerei noch zu überragen. Es gab Mitte der Sechziger musikalisch einfach keine Grenze – oder doch? Brian Wilson muss sie bei den Arbeiten an „Smile“ gesehen haben, muss vor dem Abgrund gestanden haben, an dem der Pop und sogar sein unendlich scheinendes Genie endeten. Vermutlich hat er ein bisschen zu lange hineingeschaut. Den Fans blieb dieser Blick erspart – nur ab und zu offenbarten die Beach Boys einen Zipfel des gescheiterten Projekts. „Heroes And Villains“, „Cabin Essence“, „Surf’s Up“ – alles Großtaten, mit denen der Mythos um das unvollendete Meisterwerk genährt wurde. Unter dem Titel „Smile“ ließen sich alle Träume und Vorstellungen vom größten Album aller Zeiten subsumieren. „Smile“ war Futter für die Wunschmaschinen, ein in seiner Unerreichbarkeit perfektes Phantasma, die popkulturelle Entsprechung zum Paradies. Oder zu Marilyn Monroe – als Mythos perfekt, aber fragen Sie mal Billy Wilder.

Im September 2004 erschien ein Album titels „Smile“. Brian Wilson hatte es tatsächlich geschafft, das einst gescheiterte Projekt mit seiner Tourband zu vollen­den. Waren diese 47 Minuten das, was wir uns 38 Jahre lang erträumt hatten? Das größte Album aller Zeiten? „Smile“ war beachtlich, keine Frage. Die großen Stü­cke waren alle bekannt, die bis dahin fehlenden Puzzleteile fügten dem aller­dings wenig hinzu. Im Gegenteil, sie verdeutlichten, dass die „Smile“-Musik, stärker noch als „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, eingeschlossen ist im seltsam schimmernden Bernstein, der sich seit den Sechzigern um die Psychedelia gelegt hat. So bleibt das Album weiter unerreichbar, hat uns weniger zu sagen als das immer noch modern klingende „Pet Sounds“. It just wasn’t made for these times.

The Beach Boys live: „Celebration – The Beach Boys‘ 50“
03.08. Berlin, o2 World
04.08. Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
05.08. Mönchengladbach, HockeyPark

In unserer aktuellen Ausgabe können Sie bereits alle zehn Texte inklusive eines aktuellen Interviews mit Mike Love lesen.

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