Westernhagen

Der ehemalige Mega-Star über den "„Sängerkrieg", seine Abkehr vom Kommerz und das Leben jenseits der 60

Im Keller der geschmackvoll eingerichteten Villa von Marius Müller-Westernhagen hängen die Zeugnisse einer eindrucksvollen Karriere: Gold- und Platin-Alben aus 30 Jahren sowie sämtliche Auszeichnungen, die die Branche zu vergeben hat. Insignien des Erfolgs, mit denen sich Westernhagen die Freiheit erkauft hat, im siebten Lebensjahrzehnt tun und lassen zu können, was er will. So erfüllte er sich mit dem neuen Album „Williamsburg“ einen Traum, indem er das in New York entstandene Werk mit von ihm verehrten amerikanischen Studio-Cracks wie Larry Campbell und Andy Newmark einspielte.

Du bist letztes Jahr 6O geworden. Eine Zahl von hoher Symbolkraft… Komisches Gefühl?

Vollkommen abstrakt, ehrlich gesagt. Wie die Zeit rennt, wird einem an den eigenen Kindern bewusst. Die sind auf einmal über 20, und man fragt sich, wie ist das denn passiert, die sind doch gestern erst geboren worden. Der Trick ist, dass man nicht in der Vergangenheit lebt und alles als abgeschlossen betrachtet, aber auch nicht in der Zukunft – ich bin ja kein Wahrsager. Wenn du heute lebst und weiter Visionen hast, geht das Älterwerden nicht so schnell. Die Zahl schockiert aber trotzdem.(lacht)

Es gab ja schon mehrere Wandlungen in deiner Karriere. Zunächst, als nach den ersten drei erfolglosen Platten der große Durchbruch kam, dann nach dieser ersten Erfolgsphase sowie Ende der Neunziger. Brauchst du diese klaren Brüche?

Erstens ist das eine ständige Suche, zweitens fühle ich mich nicht wohl, sobald ich das Gefühl habe, nur noch ein Produkt zu sein. Für die Trilogie aus „Pfefferminz“, „Sekt oder Selters“ und „Stinker“ habe ich mich auf diesen Kumpeltyp festlegen lassen, da spielte später auch noch „Theo gegen den Rest der Welt“ mit rein. Irgendwann habe ich aber gemerkt: Du wirst zu einem Produkt – und dann muss man das zerstören, sonst beraubt man sich jeglicher Kreativität. Und 1999 war das ganz ähnlich. Ich stand auf der Bühne und dachte: Diese Erwartungen kannst und willst du nicht mehr erfüllen. Weil das mit Konzerten nichts mehr zu tun hatte, das waren eher heilige Messen.

Man weiß nie so genau, was der Privatmann Westernhagen treibt. Auf dem neuen Album ist dieser Song, „Ein Mann zwischen den Zeilen“. Fühlst du dich missverstanden?

Meine Aufgabe als Künstler ist es, Illusionen zu schaffen. Eines der größten Mankos unserer Zeit: dass du von allen alles weißt. Vom Markt wird eine ständige Präsenz erwartet, und wenn man nicht präsent ist, wird angefangen zu spekulieren. Zum Beispiel schreibt dann einer: „Westernhagen ist arrogant“, was ich schon wegen meiner Erziehung absolut nicht bin – und alle anderen schreiben ab. Aber mit den Jahren lernt man, dass das alles Projektionen sind, die mit mir nichts zu tun haben.

Es gab immer diese Konkurrenz – in den Achtzigern zwischen dir und Lindenberg, später mit Grönemeyer. Inwiefern war das ein Medienkonstrukt? Eigentlich seid ihr ja grundverschieden.

Endlich begreift das mal einer. Udo und ich sind zwar verschieden, haben aber dieselbe Schule hinter uns. Wir haben noch gelernt, acht Stunden am Stück zum Tanz zu spielen. Herbie hingegen kam mehr aus der klassischen Richtung. Textlich würde ich ihn eher in der Tradition des französischen Chansons sehen als in Rock- oder Blues-Bezügen.

Es gibt keine Konkurrenz, wenn du authentisch bist. Ich hab das bei den Amerikanern gelernt. Die sind da anders, die begreifen sich als Familie.

Wie war das denn privat, man trifft sich ja…

Privat haben wir nie länger als fünf Minuten gesprochen, und das waren immer sehr nette und respektvolle Smalltalks. In Deutschland gibt es ja nicht so eine Szene-Zusammengehörigkeit. Die HipHopper haben das, was ich auch sehr schön finde, so eine Brotherhood. Ist unter Rock-Musikern leider nicht so. Mit Udo schon. Wenn wir uns treffen, wird gelacht und sich gefreut.

Was ist dein Ansporn zu einer Platte wie „Williamsburg“‚, was verfolgst du da noch für einen Ehrgeiz?

Jedenfalls keine kommerziellen Ziele mehr. Ich habe den Ehrgeiz, immer bessere Platten zu machen, mich weiter zu verbessern. Aber mich umtreibt nicht mehr der Ehrgeiz, irgendjemanden zu überflügeln oder neue Rekorde aufzustellen. Da habe ich genug erreicht, das reicht für drei Karrieren.

Die Figur des „Schinderhannes“ zieht sich wie ein roter Fade n durch dein Werk. Wie viel von dir selbst steckt da drin?

Der Song hat nichts mit der literarischen Figur zu tun, aber mir gefiel der Name. Gedacht habe ich eher an ein Pärchen wie in „Natural Born Killers“. Grundsätzlich ist alles, was ich schreibe, Fiktion. Wenn ich nur über mein Leben schreiben würde, das wäre todlangweilig.

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