Y’Akoto im Interview: „Man kann auch gerne mal sterben und wieder auferstehen!“
Die deutsch-ghanaische Sängerin Y'akoto wurde bereits mit ihrer ersten Platte "Babyblues" als neue Soul-Hoffnung gefeiert. Gerade ist ihr zweites Album,"Moody Blues", erschienen. Im Interview gibt sie sich neugierig und nachdenklich zugleich.
Mit ihrem letzten Album „Babyblues“ wurden Sie bereits als große Musikhoffnung gefeiert. Wie fühlt es sich an, bekannt zu sein?
Ich hatte schon bei „Babyblues“ eine vage Vermutung, wie das ist, wenn sich Leute für einen interessieren. Es war übertrieben schräg nach der Ausbildung direkt auf eine so große Fläche zu kommen. Ich habe ein Jahr gebraucht, um das zu verarbeiten.
Haben Sie nun das Gefühl, dass es jetzt erst richtig losgeht?
Ja, von meinem Gefühl her schon. Ich kann es auch jetzt erst wirklich begreifen.
Wo haben Sie Ihre ersten Erfahrungen mit Musik gemacht?
Ich habe mit 13 Jahren angefangen, als ich nach Deutschland kam. In der Schule habe ich in einer Big Band gespielt. Wir haben uns da einfach gesagt: Lass uns alte Sachen machen, Klassiker wie Aretha Franklin. Trotzdem war ich ein ziemliches Nineties-Kind, habe Destiny’s Child gehört und vor allem die Platten meiner Mutter und meines Vaters. – Ich habe mich wirklich ausprobiert, bis ich wirklich was Eigenes machen wollte – was ganz Minimalistisches, eine für mich ganz pure Form. Ich wollte meine eigenen Ladysongs machen.
Sie haben dann auch nie rebelliert gegen den Musikgeschmack Ihrer Eltern?
Ich bin generell nicht so der Typ, der bei Musik sagt: Das mag ich nicht und das ist nicht mein Stil.
Sie nennen Ihre Musik selbst Soulseeking-Music. Was meinen Sie damit?
Die Suche nach dem, was uns bewegt und uns antreibt. Ich mache ja gar nicht Musik, weil ich schon eine fertige Vorstellung von einem Song habe. Es ist immer ein Fragen und Antworten. Ich muss mir deshalb immer eine Frage vorstellen oder irgendetwas, das mich bewegt.
Was wären das so für Fragen?
Zwischenmenschliche Beziehungen bewegen mich. Warum Menschen gehen, warum sie wiederkommen, warum sie wütend sind, warum Menschen sich verlieben, warum Menschen mit sich selber so kämpfen.
Sie verstehen sich ja als Blues-Sängerin. Wenn man in die Musikgeschichte blickt – man denke nur an Billie Holiday oder auch Amy Winehouse – dann findet man eine Menge Blues-Sängerinnen, die mit Problemen und einigem Weltschmerz zu kämpfen hatten…
Bei mir ist es weniger ein persönliches Drama, das mich antreibt, sondern eher ein universelles. Kollektiver Schmerz. Weltschmerz? Das klingt negativ nach. Wenn ich merke: Da ist irgendetwas im Ungleichgewicht, dann positioniere ich mich auch. Was mir wirklich die Schuhe auszieht, sind eher so die Themen, die nicht bei mir stattfinden. Ich habe auch noch nicht so herausgefunden, warum viele Frauen im Blues zugrunde gehen. Ich glaube, es sind sehr sensible Menschen. Ich bin auch sehr sensibel. Man muss einfach trennen können zwischen dem Leben auf der Bühne, dem Leben hinter der Bühne und dem Leben in der Öffentlichkeit. Ich bin jemand, der strikt trennt. Es gibt unterschiedliche Charaktere. Manche müssen immer in ihrer Rolle sein. Ich mag es aber auch gerne, unbeobachtet zu sein. Das finde ich ganz toll.
In dem Song „Come Down The River“ geht es ganz offen um Suizid. Was bewegt sie dazu, darüber zu schreiben?
Suicidal Energy is something you feel. Ich spüre depressive Energien – wenn etwas aus dem Lot ist. Ich kann irgendwo reinkommen und bemerke sofort dieses Leid. Es fällt mir fast leichter das zu sehen als Leichtigkeit. Mittlerweile kann ich aber auch Leichteres schreiben.
Blues und Leichtigkeit – geht das zusammen?
Swing, Bebop, Funk, luftig, tänzelnd – selbst in einem Blues kann man Momente der Leichtigkeit produzieren, in dem man sich selber nicht zu ernst nimmt oder ein Wort verwendet, dass die ganze Geschichte dreht.
Max Herre ist ja einer Ihrer Produzenten und sehr erfolgreich mit deutschsprachiger Musik. Wollten Sie auch einmal in deutscher Sprache singen oder war Englisch von Anfang an die Sprache erster Wahl?
Ich bin ja in Ghana aufgewachsen und meine Eltern haben miteinander ja nur Englisch gesprochen. Und so war auch meine Grundschulausbildung Englisch. Deutsch lesen und Schreiben habe ich erst mit 10 Jahren gelernt. Ich konnte gut sprechen, aber gar nicht gut Deutsch lesen. Viele Menschen hat das immer gewundert. Aber da habe ich noch einige Hemmungen.
Schreiben Sie Ihre Texte selbst?
Ja, das tue ich. Alles stammt von mir selbst. Wenn du eine pure Intention hast, dann kann dir auch niemand sagen, dass das falsch ist. Vieles reimt sich auch nicht bei mir. Ich habe nie ein Reimlexikon rausgeholt, sondern ich habe die Dinge im Kopf.
Wo bekommen Sie Ihre Ideen her?
Du hast ’ne Frage, du hast ein Thema und dann fragst du dich: Wie will ich weiter erzählen? Ich sitze auf dem Fahrrad und klemme mir mein iPhone an mein Hemd oder sitze drei Stunden am Klavier. Das ist einfach Learning By Doing. Ich setze mich jeden Tag ans Klavier und spiele. Das ist ähnlich wie bei einem Schneider, der macht das auch so. Ich bin da sehr einfach.
Wie halten Sie es eigentlich mit deutschem Blues?
Ich kenne mich da nicht aus. Falco? Der war eher schwer, oder? Hildegard Knef. Es ist cool, wie sie ihre Texte rüberbringt, das ist auch eine Form des Erzählens. Sehr pur.
Was halten Sie von Rihanna und Beyoncé?
Die finde ich klasse. Ich bin stolz darauf, dass das zwei schwarze Frauen sind. Auch mit dem Hintergrund: Rihanna, die in Barbados aufgewachsen ist… Wenn jemand auf dem Level performt, muss das ein starker Mensch sein. Die machen Entertainment – das ist noch einmal eine ganz eigene Sparte für mich. Ich finde es schön, dass sich Sachen wiederholen und es immer wieder neue Gesichter dafür gibt.
Die beiden Sängerin zeigen auf der Bühne ja eine sehr aggressive Weiblichkeit…
Ich mag das ja. Aber ich mag auch Männer, die so sind. Ich mag starke, expressive Menschen. Ich mag Künstler, die auch zeigen, was schräg ist. Wie machen die das mit ihrer Energie? Machen die das nüchtern? Sie müssen echt eine massive machine behind them haben. In meinem Rahmen könnte ich das nicht. Die große Bühne will ich aber unbedingt. Das ist doch ein Traum. Es ist toll, mit wie vielen Menschen man reden kann, wie viele man erreichen kann.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie eigentlich ein wahnsinnig unsicher Mensch sind. Hat sich das jetzt nach so viel Bühnenerfahrung gelegt?
Ich kenne keine konstant selbstsicheren Menschen. Was mir viel Stress genommen hat, ist zu begreifen, dass es einfach so ist. Das ich ich bin. Selbstsicherheit durch Musik. Wenn ich einen Song schreibe, dann finde ich das erst einmal toll. So viel Druck, immer zu funktionieren – das ist ja alles irgendwie Performance. Wenn ich nachhause komme und eine Platte auflege, dann fällt der ganze Druck von mir ab.
Ihre Songs handeln auch oft von Bindungsängsten…
Leute erzählen mir auf Reisen sehr viel, weil man dort die Sicherheit hat, dass man sich bald wieder trennt und nun frei von der Leber weg erzählen kann. Die Menschen wollen doch eigentlich alle das selbe: love, to be loved and won’t get hurt. Sie merken, dass das aber alles nicht funktioniert. Sie kommen von einem Trauma ins nächste, bekommen Angst, kontrollieren alles – und dann geht gar nichts mehr.
Das klingt danach, dass Sie sehr schmerzempfindlich sind…
Wenn man einfach mal ins Messer läuft und sich total verletzt, dann ist das auch in Ordnung. Man kann sich gerne mal verletzen. Man kann auch gerne mal sterben und wieder auferstehen.
Zum Abschluss noch einige kurze Fragen: Was ist Ihre Lieblingsplatte?
„Hunter“ von Björk. – Sie ist einer meiner großen Vorbilder. Wie sie ihre Gefühlswelt beschreibt – das macht ja keine so, nicht mal so ähnlich. Das ist schon sehr verrückt. Eigener Klang, Sound und visuelle Welt. Biophilia ist auch extrem mutig, risikoreich, verrückt. Was sie sich als Frau getraut hat, ist toll.
Was ist Ihr Lieblingssong?
Das wechselt oft. Momentan ist es „The Flow“ von Melanie De Biasio. Ich habe aber ganz schön gebraucht, um herauszufinden, wer den Song überhaupt gesungen hat. Ich haben dann bei Google Neuerscheinung, Jazz, Frau eingegeben – das hat gereicht, um sie zu finden. Ich bin auch so eher der Albumkäufer. Ich glaube, ich habe das noch nie gemacht: einen Song gekauft. Ich denke albummäßig und arbeite auch so.
Gehen Sie gerne ins Kino?
Ich bin damit aufgewachsen. Meine Eltern hatten keinen Fernseher – wir sind ständig ins Kino. „Elisabeth“, „Shakespeare in Love“, „Drei Engel für Charlie“, „Pina“ von Wim Wenders.
Wie halten Sie es mit der Arbeitsmoral?
Die Arbeit interessiert mich sehr. Meine Arbeit ist mein Leben – ich habe nicht das Bedürfnis, das zur Show zu machen. Mir macht das Spaß, die ganze Zeit oder in der Nacht im Studio zu bleiben. Ich brauche da nichts, um es auszugleichen.
Wer oder was treibt Sie an?
Was wirklich antreibt ist jemand, der bedingungslos an dich glaubt. Man kann nicht immer nur denken, jetzt muss ich Leistung bringen, um gefördert zu werden (wie das in privaten Beziehungen oft ist). Das ist keine gute Voraussetzung, Kunst zu machen. Du brauchst das Gefühl, das jemand alles so nimmt, wie es ist. Wir sind ja so streng heutzutage. Die Jugendlichen sind heute so streng mit sich, mit dem, was sie im Fernsehen sehen: Tue dies, tue das, du siehst scheiße aus. Es ist alles so hart geworden. Ständiges sich bewerten. Es gibt auch Leute, die morgens aufwachen und sich toll finden.
Was ist ihr großer Traum?
Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich mit meinen Musikern intensiver arbeiten. Ich kann meinen Musikern aber im Moment keine Sicherheit bieten. Man braucht Zeit, sich in ein Projekt hineinzudenken. Wir Künstler brauchen auch mehr Mäzene. Ich war auch darauf angewiesen, dass mir Leute helfen. Es gibt ja jetzt Crowdfunding. Aber ich finde, ein Künstler braucht auch Ruhe. Man benötigt ja nicht immer nur Leid und ein schweres Leben, um kreativ zu sein. Mein Traum ist, immer eine Fortsetzung von dem machen zu könne, was ich gerade mache. Ich würde aber auch gerne Tanztheater produzieren. Ich bin ja ausgebildete Tanzpädagogin und arbeite deshalb auch gerne choreographisch.