Zum 50. Jubiläum von „Casino Royale“ werden einige Bond-Romane von Ian Fleming neu herausgegeben – Einladung zur kritischen Lektüre

Vor 50 Jahren erschien „Casino Royale“, der erste einer 14-teiligen Thriller-Serie um einen gewieften, potenten, leidensfahigen Secret- Service-Mann mit einer Doppelnull, die ihn im Zweifelsfall zum Töten ermächtigt. Sein Name ist so sehr eingeschrieben in die Pop-Ikonografie, nicht zuletzt durch die sehr freien Verfilmungen, dass man ihn innerhalb unseres Kulturkreises bereits anhand dieser zwei, drei Attribute nennen können müsste. wenn man die letzten Jahrzehnte nicht in einer Höhle verbracht hat. Und es ist insofern nur billig, dass der Heyne Verlag, der zum Jubiläum die ersten vier Bücher in einer vollständig überarbeiteten, leider nicht immer argusäugig lektorierten Ausgabe vorlegt, ihn mit aufs Cover nimmt.

Für Douglas Adams geht dieser Erfolg in Ordnung. In einem Interview bekennt er sich zu Ian Fleming, weil der meinte, „er habe nicht literarisch sein, sondern einfach nur gut schreiben wollen“ – und sein Werk dann „handwerklich gesehen wirklich sehr gut geschrieben ist. Fleming wusste, wie man Sprache benutzt, er wusste, wie man sie zum Funktionieren bringt. Aber offensichtlich wollte das niemand Literatur nennen“.

Das kling gut, nur leider stimmt es nicht. Gerade die handwerklichen Mängel dieser Bücher sind so offensichtlich, dass sie in den Augen brennen. Sie sind mitunter umständlich erzählt, sie stecken voller Ungereimtheiten in der Plot-Struktur und unfreiwilliger Komik, und sie sind nicht zuletzt gesättigt von Stereotypen. Aber gleichwohl doch recht spannend. Das meinte Adams vielleicht, denn in dein Fall verzeiht man ja einiges.

Was man Fleming allerdings nicht so einfach nachsieht, ist der ideologische Knochenbau dieser Romane. Flemings Frauenbild zum Beispiel. In „Leben und sterben lassen'“ wird mit wenigen, aber groben Strichen Bonds verbrecherischer Gegenspieler Mr. Big skizziert. Wie immer bei Fleming ist er nicht nur moralisch, sondern auch optisch ein Unhold. Und er hat eine besondere Schwäche: „Frauen, die er in Unmengen verbrauchte.“ Mit fast den gleichen Worten wird auch Le Chiffre charakterisiert, der genauso monströse Verbrecher aus „Casino Royale“. Der gerät in finanzielle Nöte, weil er einen Bordellring kauft, um so „über eine unbegrenzte Zahl von Frauen für den Gebrauch zu verfügen“. Flemings Männer sind eben noch welche. Und als solche haben sie ein konsumisdsches Verhältnis zu Frauen: „Gebrauchen“, „verbrauchen“, „wegstecken“, „vergessen“, das sind die Prädikate, die den Verlauf einer idealen Beziehung beschreiben. Mehr ist „Ballast“ und behindert die Konzentration auf die wirklich wichtigen Sachen, die Männersachen – wie die Rettung der Welt vor den Russen…

Nun, dass man in einem Agentenmilieu eher den besonders virilen Typ Mann antrifft, lässt sich vielleicht gerade noch so legitimieren, wenn nicht mit der Realität, dann doch mit den Übereinkünften des Genres. Schwerer fällt es schon, Flemings fast chauvinistische Vaterlandsliebe und vor allem seinen forcierten Anti-Kommunismus zu begreifen. Und dann gibt es eben auch noch solche Sätze: „Es war heiß, die Luft war stickig; es roch nach Rauch und, leicht süßlich, nach zweihundert Farbigenleibern.“ Das ist bLinker, kruder Rassismus, das bloße Ressentiment, das Flemings zweiten Roman „Leben und sterben lassen“ fast durchgängig kontaminiert.

Die Infamie dieser Romane steckt aber in Bonds Charakter selbst. Fleming schuf einen Helden, der unheldischer gar nicht sein könnte. Einen kalten, funktionalen, sich bis zur Selbstverleugnung der Aufgabe unterordnenden Dienstleister! Einen Angestellten, der nichts weiter will und für sein Seelenheil nichts weiter braucht als den Auftrag, den er zur Zufriedenheit seines Dienstherrn erledigt. Und nebenbei ein bisschen Befriedigung der Primärtriebe in Form eines ziemlich mondänen Lebenswandels. Bond ist ein selbstgerechter Knecht im Zeichen des Wirtschaftswunders, der seine moralischen Skrupel bei Miss Moneypenny abgegeben hat. Dass er über Leichen geht, ficht ihn nicht an, schließlich kämpft er für die gerechte Sache.

Es ist schon merkwürdig und auch gespenstisch, dass kaum 20 Jahre nach der bürokratisierten Barbarei, die gezeigt hat, wozu dieser Typus des allzeit korrekten Sachbearbeiters fähig ist, sich schon wieder alle Welt ausgerechnet einen solchen zum Helden auserkoren hatte.

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